Kann denn Liebe Sünde sein

Kann denn Liebe Sünde sein?

Kann denn Liebe Sünde sein? Und was um der Liebe Willen hat Hitlers Lieblings-Diva Zarah Leander mit den Kinks zu tun? Und mit Lola? Außer dass ich natürlich alles auf Vinyl habe und sich alles irgendwie hier im Kreise dreht, weil mein Geschmack ebenso abartig, wie meine Neugier grenzenlos ist. Aber wir wissen doch: irgendwie hängt alles miteinander zusammen. Schließlich geht es hier um die Schwulen-Bewegung …

Kann denn Liebe Sünde sein? Darf es niemand wissen?

Zarah Leander kennt jeder. Und „ihr“ Lied „Kann denn Liebe Sünde sein wohl auch:

„Kann die Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen
Wenn man sich küsst
Wenn man einmal alles vergisst
Vor Glück?

Kann das wirklich Sünde sein
Wenn man immerzu an einen nur denkt
Wenn man einmal alles ihm schenkt
Vor Glück?

Niemals werde ich bereuen
Was ich tat
Und was aus Liebe geschah
Das musst du mir schon verzeihen
Dazu ist sie ja da!

Liebe kann nicht Sünde sein!
Auch wenn sie es wär′
Wär’s mir egal
Lieber will ich sündigen mal
Als ohne Liebe sein!

Jeder kleine Spießer macht
Das Leben mir zur Qual
Denn er spricht nur immer von Moral
Und was er auch denkt und tut
Man merkt ihm leider an
Dass er niemand glücklich sehen kann
Sagt er dann:
„Zu meiner Zeit
Gab es so was nicht!“
Frag′ ich voll Bescheidenheit
Mit lächelndem Gesicht:
„Kann die Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen
Wenn man sich küsst
Wenn man einmal alles vergisst
Vor Glück?“

Kann das wirklich Sünde sein
Wenn man immerzu an einen nur denkt
Wenn man einmal alles ihm schenkt
Vor Glück?

Niemals werde ich bereuen
Was ich tat
Und was aus Liebe geschah
Das musst du mir schon verzeihen
Dazu ist sie ja da!

Liebe kann nicht Sünde sein
Auch wenn sie es wär‘
So wär’s mir egal
Lieber will ich sündigen mal
Als ohne Liebe sein!

Niemals werde ich bereuen
Was ich tat
Und was aus Liebe geschah
Das musst du mir schon verzeihen
Dazu ist sie ja da!

Liebe kann nicht Sünde sein
Auch wenn sie es wär′
So wär′s mir egal
Lieber will ich sündigen mal
Als ohne Liebe sein!“

Schon meine Eltern hatten dieses Lied auf Schallplatte und in meiner Schulzeit gab ich dieses Lied gerne zum Besten. Ich konnte die Stimme der Leander leidlich gut imitieren, den Augenaufschlag auch, ich war eine verruchte Göttin …

An das Original kam ich freilich nicht (ganz) heran:

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Aber wer kennt Bruno Balz?

Der Song wurde natürlich nicht von der Leander geschrieben. Der Texter war Bruno Balz. Und wer kennt Bruno Balz? Ihn müssten viel mehr Menschen kennen. Er hat zwischen den zwanziger und sechziger Jahren rund 1.000 Lieder geschrieben, vor allem für den Film, aber auch für Operette und allerlei Schlager, darunter auch in den dreissiger Jahren große Hits für Heinz Rühmann und eben Zarah leander. einige seiner bekanntesten Titel aus jeden unseeligen Zeit waren neben „Kann denn Liebe Sünde sein?“ zum Beispiel „Davon geht die Welt nicht unter“ oder „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Ich höre schon: „Durchhalteparolen für die Nazis“. Nein nein, das ist alles ganz anders …

Bruno Balz wurde von den Nazis verfolgt und eingesperrt. Weil: Bruno Balz war schwul. Er war vor der Machtergreifung aktiv in der Berliner Homosexuellenbewegung und mit dem jüdischen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld eng befreundet. Nach einer ersten Inhaftierung wurde er gezwungen eine Scheinehe mit einer Nazi-Braut einzugehen, was ihn aber nicht daran hinderte erneut homosexuelle Kontakte einzugehen. Dies führte zu einer weiteren Verhaftung. Er komponierte und veröffentlichte Schlager unter falschem Namen. Natürlich hatte er offiziell Berufsverbot unter den Faschisten. Und auch nach dem Krieg wurde sein Name kaum in der Öffentlichkeit erwähnt. Homosexualität blieb ja noch viele Jahre strafbar, auch nach 1945. So machten seine Lieder Karriere, er selbst leider nicht.

Man muss seine Lieder gegen den Strich lesen

Liest man seine Liedtexte aber einmal gegen den Strich, so hören sie sich gleich ganz anders an. Stellt Euch einfach einmal vor, sein Song „Kann denn Liebe Sünde sein?“ würde von einem Mann gesungen:

„Kann das wirklich Sünde sein
wenn man immerzu an einen nur denkt?“ 

„Jeder kleine Spießer macht
das Leben mir zur Qual,
denn er spricht nur immer von Moral.“

„Sagt er dann:
`Zu meiner Zeit
Gab es so was nicht!´
frag′ ich voll Bescheidenheit
mit lächelndem Gesicht:
`Kann die Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen
wenn man sich küsst?Wwenn man einmal alles vergisst
vor Glück?´“

Und plötzlich wird sein Lied vom dunkelhaarigen Waldemar zum antifaschistischem Widerstandslied:

„Er heißt Waldemar und hat schwarzes Haar,
Er ist weder stolz noch kühn aber ich liebe ihn.
Er heißt Waldemar und der ist kein Star;
Seine Heimat ist Berlin aber ich liebe ihn. …
Oooooo der Waldemar, das ist ein Barbar,
Manchmal möchte ich vor ihm flieh’n
Aber ich liebe ihn.“

Auch dieses Lied, in dem so gar kein arischer Held vorkommt, hat Zarah Leander interpretiert.

 

Und was hat das jetzt mit den Kinks zu tun?

„I met her in a club down in old Soho
Where you drink champagne and it tastes just like coca cola
C-O-L-A, Cola
She walked up to me and she asked me to dance
I asked her her name and in a dark brown voice she said Lola
L-O-L-A, Lola
La-la-la-la Lola
Well, I’m not the world’s most physical guy
But when she squeezed me tight she nearly broke my spine
Oh my Lola
La-la-la-la Lola

She picked me up and sat me on her knee
And said „Dear boy, won’t you come home with me?“
Well, I’m not the world’s most passionate guy
But when I looked in her eyes, well I almost fell for my Lola

Girls will be boys and boys will be girls
It’s a mixed up, muddled up, shook up world, except for Lola
La-la-la-la Lola
Well, I left home just a week before
And I’d never ever kissed a woman before
But Lola smiled and took me by the hand
And said „Dear boy, I’m gonna make you a man“
Well, I’m not the world’s most masculine man
But I know what I am and I’m glad I’m a man
And so is Lola

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„But I know what I am and I’m glad I’m a man
And so is Lola“.

Mit diesen Zeilen endet der Song. Lola ist ein Schwulen-Song. Und eine Hymne auch für viele Heteros, die über diese Zeile einfach hinweggesungen haben. Viele Radiostationen haben Anfang der siebziger Jahre den Soing aus ihrem Programm genommen, einige wegen der Schleichwerbung für Coca Cola, viele aber auch wegen der Anspielung auf Homosexualität, Travestie und das was man heute die Transgender-Szene nennt.

An Lola musste ich denken, als ich mich über Bruno Balz informierte. Die Lola wurde Anfang der siebziger Jahre verboten, während „Kann denn Liebe Sünde sein“ zum Hit der Schwulen-Szene der Nazi-Zeit wurde, die freilich im Untergrund und im Verborgenen existierte. Das Lied überlebte die Nazi-Barbarei und die prüden Nachkriegsjahre und wurde zum Radio-Hit, weil es von einer Frau mit tiefer Stimme gesunden wurde. Was für eine irre Geschichte.  

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Eine Antwort

  1. Lieber Michael,
    wieder einmal bin bin ich erstaunt, wie viel Subversives den kleingeistigen Nazispießern doch untergejubelt wurde.
    Für Bruno Balz, den ich bisher nicht kannte, freut es mich sehr, dass er zumindest im Alter die Möglichkeit hatte, seine Sexualität einigermaßen frei zu leben.
    Da er in den 80ern nicht in München lebte, blieb ihm Peter Gauweilers unerträgliche Intoleranz erspart.
    Für mich, aufgewachsen im legendär schwulen Münchner Glockenbachviertel, war die plötzlich auftauchende Homo-Feindlichkeit des KVR-Chefs damals schockierend, wie muss es Balz dann erst unter Hitler gegangen sein.
    Vielen Dank, dass du mich mit Ihm „bekannt“ gemacht hast. Ich liebe diese alten Lieder und freue mich jetzt umso mehr, sie mit einem Namen und einer Geschichte verbinden zu können, die nochmals eine neue Ebene eröffnet.

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