Oh ich war ja immer hin- und hergerissen, wenn ich Lang Lang hörte. Stets hegte ich heftigen Kitsch-Verdacht und sein Manierismus an den Tasten war mir nie geheuer. Als er sich nun über die Goldberg-Variationen her machte argwöhnte ich das Allerschlimmste und die Marketingmaschine die die Veröffentlichung seine Aufnahme begleitete war ja nun auch beängstigend. Doch die meisten Kritiken waren äußerst wohlwollend und ich war ob des Gehörten mal wieder hin- und hergerissen: technisch ist der Mann ja wirklich meisterhaft und seine Interpretation des viel gehörten Werkes ist, nun ja, jedenfalls interessant. So ganz konnte ich mich freilich nicht damit anfreunden Bach plötzlich als Romantiker einordnen zu müssen …
Wie herzerfrischend war es da endlich einen gnadenlosen Verriss zu lesen: Wolfram Ette schreibt Lang Lang im Freitag in Grund und Boden:
„Wenn Bach wie Chopin klingt … Wenn man diesseits aller Theorie anschaulich erleben will, wie Kulturindustrie heute läuft, sollte man sich mit der Neueinspielung der Goldberg-Variationen des chinesischen Pianisten Lang Lang auseinandersetzen. … Die Aria klingt bei Lang Lang wie Chopin, delirant kommen die Verzierungen als schwankende Gestalten daher, die nichts zu erkennen geben, außer den Wunsch aufzufallen. Die extremen Temposchwankungen der Variationen wirken willkürlich; alles ist gestelzt, gesetzt, leerer Ausdruck. Das ganze Gebäude gerät bei Lang Lang ins Rutschen, alle Wände verschieben sich ständig gegeneinander wie auf Bildern von Escher. Aber es ist nicht „Dekonstruktion“, sondern Willkür als knallhartes Kalkül, das nur eine einzige Währung kennt: die der zerstreuten und zersplitterten Aufmerksamkeit der Hörerinnen und der Hörer. Flach vor Tiefe hat Lukács dieses Phänomen genannt, Adorno nennt es den Fetischcharakter der Musik. Aber es reicht auch, wenn man findet: Es ist Kitsch.“
Danke Meister Ette. Mein Weltbild ist wieder eingenordet.
kurz kurz kurz lang lang lang kurz kurz kurz.