Ich liebe die Zeitschrift Mare. ich liebe das Meer. Ich liebe Bücher, die nach Fisch riechen. Diese fünf Bücher riechen nach Fisch. Und da ist der Butt von Grass noch gar nicht dabei.
Fünf Bücher, die nach Fisch riechen. Aus der Reihe der Kurzvorstellungen unter dem Hastag #tagesbuch auf meiner Facebook-Seite Michael Kausch schreibt:
Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund
Francisco Coloane Cárdenas: Kap Hoorn
Einmal um Kap Hoorn segeln! Was für ein feuchter Traum. Da werde ich ein ganz kleiner Junge. Ich liebe Abenteuerromane. Mehr als Abenteuer jedenfalls. Abenteuerromane kann man auch im Trockenen bei einem trockenen Rotwein genießen, während die Gischt im Hirn hoch lodert (Lodert Gischt? Na, egal!) und die Haie nach dem Zwieback schnappen … Feuerland ist abgebrannt.
Quatsch. Mal ernsthaft: Francisco Coloane Cárdenas (was für ein Name), Sohn eines chilenischen Walfängers und einer Bäuerin schreibt nicht einfach Abenteuerromane. Er schreibt vor allen Dingen von Menschen. In „Kap Hoorn“ lässt er in 14 kraftvollen und bildreichen Erzählungen das Schicksal einfacher Leute auf Feuerland aufleben. Es sind Geschichten, mit kräftigen Strichen gemalt. Wäre Van Gogh Schriftsteller gewesen, seine frühen Bilder, etwa die Kartoffelesser, wären zu solchen Texten geronnen. Ich mag das.
Desweiteren sind also von ihm zu lesen: „Der letzte Schiffsjunge der Baquedano“ und „Feuerland“. Mehr kenne ich nicht von ihm. Und viel zu wenige kennen ihn, den Walfängersohn aus Chile. Hab ich eigentlich schon mal erzählt, dass der Name „Kausch“ aus der Walfängersprache kommt? Das hat mir jedenfalls ein Mitarbeiter des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg vor Jahren gesteckt. Irgendwo bei den Walfängern der Ostsee sollen meine Wurzeln zu finden sein.
Dar she blows …
Halldór Laxness: Atomstation
Halldór Laxness, Island, Literaturnobelpreis 1955. Den Mann liest vermutlich niemand im Deutschunterricht. Und an mir ging er auch komplett vorbei. Bis zu meiner Island-Reise vor einigen Jahren. Da wollte ich nicht nur Blödsinn über Elfen und Trolle lesen, und so habe ich einfach mal geguckt, was dort zwischen den Geysiren so geschrieben wurde außer den alten Nordlandsagen. Und so stieß ich auf Halldor Laxness. Und es war ein überaus lohnender Fund.
In „Atomstation“ geht es um Politik, genauer: um die Rolle des kleinen Island zwischen den großen Weltmächten in Ost und West in den fünfziger Jahren und gleichzeitig um die Entwicklung eines kleinen Landes am nördlichen Rand Europas vom armen Bauernland zum modernen Sozialstaat. Und es geht um die veränderte Rolle der Frau in diesen Umbruchzeiten.
Da hat sich einer also ganz schön viel vorgenommen für einen Roman. Und das erstaunlichste: Lanxess schafft es aus dieser Themenvielfalt ein lesenswertes und spannendes Buch zu machen, ohne theoretischer Schwerlast. Klasse.
Liebe Deutschlehrer*Innen: Macht doch mal die Mädels und Jungs an Euren Schulen mit solchen Büchern neugierig auf die kleinen Länder unseres Europa. Es lohnt sich. Vielleicht würden mehr Menschen Mut bekommen auf literarische Entdeckungsreise zu gehen.
Annie Proulx: Schiffsmeldungen
Endlich eine Frau: Annie Proulx: Schiffsmeldungen. Die in Seattle lebende Schriftstellerin, die sowohl die US-amerikanische, wie auch die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt, beschreibt sich selbst als ein wenig menschenscheu und eigenbrötlerisch. Und wirklich sind ihre Romanfiguren alles andere als sozial etablierte oder auch nur alltagstaugliche Gestalten.
Der Anti-Held der Schiffsmeldungen ist ein 36jähriger Underdog und erprobter Looser: seine Frau ist schön und untreu, weshalb sie dann auch zügig bei einem Unfall ums Leben kommt. Er zieht nach ihrem Tod mit seinen beiden Töchtern als alleinerziehender Vater nach Neufundland, eine öde Gegend, die einem Melancholiker wie ihm eigentlich den Rest geben könnte. Er kommt als Lokalreporter bei einer kleinen Provinzzeitung unter und wird dort alsbald für „Schiffsmeldungen“ zuständig.
Damit wird dann auch schon deutlich, warum ich mir dieses Buch gekauft und warum ich mich in dieses Buch verliebt habe: Aufmerksam wurde ich über eine Besprechung in meiner Lieblingszeitschrift „Mare“ auf den Roman. Ständig laufen Seefahrer und Fischer durchs Set. Es riecht nach Fisch, Salz und Meer. Und es wird folgerichtig auch nicht allzuviel geredet. Alles läuft wie in jedem ordentlichen Hafenbecken ein wenig durcheinander. Ein Buch für stinkige Tage. Ein Buch, um einen Hering ans Kreuz zu nageln. Ein schönes Buch, das völlig zurecht ausgerechnet bei Fischer erschienen ist.
Hans-Werner Richter: Geschichten aus Bansin
In diesem Sommer besuchten viele meiner Freunde Usedom. Der Virus hat sie offenbar von Fernreisen abgehalten. Ich war im vergangenen Jahr dort und hatte mich mit einem Stapel Bücher mit „Regionalbezug“ rechtzeitig eingedeckt. Darunter befanden sich auch Hans-Werner Richters „Geschichten aus Bansin“.
Ich weilte einige Tage in Heringsdorf und besuchte natürlich auch Bansin. Das Hans-Werner-Richter-Haus war leider geschlossen und auch sonst findet man natürlich rein gar nichts mehr von dem Bansin, das Richter in seinem Buch schildert, von dem Zwischen- und Nachkriegs-Bansin seiner Jugend.
„Der Schützenkönig“ und die sechs anderen kleinen Geschichten und Berichte aus Bansin sind aber natürlich ganz wunderbare Zeitzeugnisse einer untergegangenen Epoche, sozialkritische Milieustudien mit reichlich Fischgeruch zwischen den Zeilen.
Hier geht es zum „Literarischen Quintett I: Kemal – Tabucchi – Begley – Calvino – Márquez“
Eine Antwort
Danke für die sehr persönlichen Empfehlungen! Die „Schiffsmeldungen“ habe ich schon gelesen und geliebt. Die Verfilmung ist auch nicht schlecht. Ich werde mir dann wohl als Nächstes die „Atomstation“ vornehmen (beim lokalen Buchhändler bestellt).