“Ist man einstellungsmäßig nicht social media tauglich, wenn man öffentliche Live-Tweets aus dem OP daneben findet?” twitterte PR-Kollege Christian Faltin von cocodibu irritiert. Und Doris Schuppe zwitscherte augenzwinkernd “Wahre Männerfreundschaft: Gemeinsames Twitter heute aus OP” unter Bezugnahme auf meine Ankündigung, live aus dem OP der Münchner Isar-Herz-Klinik zu twittern, während mein Freund und Mit-Blogger Tim Cole vom Czyslansky-Blog eben dort unter dem Messer lag.
Eingeladen hatte mich im Auftrag der Klinik und – natürlich – mit Zustimmung von Tim Cole Thorsten Fricke, der sich als PR-Mann inzwischen auf Medizin-Kommunikation spezialisiert hat, vielen aber sicherlich noch als langjähriger stellvertretender Chefredakteur der Münchner Abendzeitung bekannt sein dürfte.
Die Idee live aus dem OP zu twittern fand er spannend, wenngleich er sich mit seinem Einladungsverteiler doch eher an die traditionellen Medien richtete. Es ging ihm und seinem Kunden darum die breite Öffentlichkeit für eine neue Behandlungsmethode bei Herzflimmern – genauer “Vorhof-Flimmern” zu gewinnen. Letztlich ist die moderne Medizin nicht weniger den Marktregeln unterworfen, als die Produktion von Handtuchspendern, Logistik-Lösungen oder Computersoftware. Es ging ihm deshalb darum, die Laser-Ablation als gleichermaßen schonende, wie erfolgversprechende neue Behandlungsmethode bekannt zu machen. Mit Tim Cole hat der behandelnde Arzt nun zufällig einen medienaffinen Publizisten unter das Messer bekommen, der nichts einzuwenden hatte gegen journalistische Kollegen, die sich mit Kamera, Notizblock und Samsung Galaxy am OP-Tisch aufstellten und munter vom Gemetzel berichteten.
Und so kam es denn zu meinem ersten Live-Getwitter aus einem OP. Mit dem kleinen Samsung setzte ich alle zwei bis drei Minuten einen Tweet ab, fotografierte auch noch die Szene und verbreitete die Bilder beinahe in Echtzeit über Twitpic. Zuvor hatte ich über Tweetwally eine kleine Twitterwall eingerichtet, die alle Tweets mit dem Hashtag #TimsOP versammelte und diese Twitterwall in ein Posting auf Czyslansky eingebunden. So konnte jedermann unabhängig davon, ob er selbst über einen Twitter-Account verfügte, virtuelle der OP beiwohnen oder gar das ganze kommentieren. Gleich nach der OP wurden einige Bilder noch in einem zweiten Posting veröffentlicht und kommentiert – jetzt unter weniger zeitlichem und nervlichem Stress.
Über die beiden Meldungen auf Czyslansky wurden aber auch Hintergrundinformationen zur eingesetzten Technologie und zwei informative Videos von Thorsten Fricke zum Thema publiziert.
Und was hat’s gebracht?
Innerhalb einer knappen Woche konnten wir mehr als 1.200 Zugriffe auf die Postings zählen, die Reichweite der Twitterati, die meine Tweets weitergeschickt hatten, lag bei ca. 15.000, Bilder wurden mehr als 1.000 mal abgerufen und so gab es von der OP nicht nur mehrspaltige Artikel in BILD und Abendzeitung, sondern durch unsere Social-Media-Aktivitäten auch im Berliner Gesundheitsmagazin vitafil:
“Warm-up zum großen Socl Medica Event: Live-Herz-OP in der Isarklinik München #TimsOP. Heute: Schluckecho und CRT, morgen große Ablation”, twitterte der Patient Tim Cole selbst noch einen Tag vor dem Eingriff. Mit gewohnter Twitter-Ironie („Jetzt im OP Kittel. Todschick; There’s a hole in my Cole …) setzte sein Freund Kausch die Berichterstattung dann live im OP fort. Offensichtlich ohne Berührungsängste vor Operationssaal, Blut oder medizinischen Geräten knipste er munter ein Foto nach dem anderen und informierte seine #timsOP-Fans bei Twitter fortwährend über den Ablauf. “Tim ist mal wieder ganz vorne dabei. Weltweit erst ca. 250 Patienten mit Laser-Ablation behandelt” twitterte Kausch nach dem Eingriff. Nach einer halben Stunde war die Operation auch schon wieder vorbei – Tim Cole ging es gut und er gab der anwesenden Presse auch gleich Interviews. Wie die Operation verlaufen ist, wusste die Twitter-Gemeinde allerdings schon viel früher als der Patient – Social Media macht´s möglich.
PR im Zeitalter von Social Media! In den USA ist Twitter im OP übrigens bereits Alltag: siehe Spiegel-online, FAZ, Stern und heise.
2 Antworten
Ein bißchen unfair finde ich, dass ausgerechnet der Hauptakteur bei einem solchen „Social Medica“-Event selbst nicht mittweeten darf. Da müssen wir uns noch was einfallen lassen!