Maulkörbe im Cyberspace

Einmal zu oft geliked!
Einmal zu oft geliked!

Im Internet kann jeder seine Meinung sagen, richtig? Falsch: In China kommste dafür in den Bau, in Russland ins Arbeitslager. Aber wenigstens in den demokratisch regierten Ländern, da stimmt es doch, richtig? Nochmal falsch: Da kann es sogar sein, dass man für Dinge, die man online sagt, bestraft wird, über die sich im richtigen Leben kein Mensch aufregen würde.

Nehmen wir doch mal Indien, das sich stolz als die „größte Demokratie der Welt“ bezeichnet. In Mumbai sind, wie die New York Times berichtet, zwei junge Frauen wegen eines Facebook-Eintrags von der Polizei abgeholt und eingelocht worden. Nein, sie haben nicht zum Sturz der Regierung aufgerufen oder Anleitungen zum Bombenbasteln veröffentlicht. Sie haben sich nur darüber echauffiert, dass in ihrer Heimatstadt Mumbai das ganze Geschäftsleben zum Erliegen gekommen ist, weil ein greiser Politiker namens Bal Thackeray verstorben war.

Das Blöde ist nur: Der Mann war Chef einer als politische Partei getarnten Schieberbande, die sich „Shiv Sena“ („Krieger Shivas“) nennen und die wie eine Art Mafia über Mumbai herrscht.  Die halbe Stadtverwaltung soll in der Tasche des Alten gesteckt haben. Geschäftsleute zitterten vor ihm. Als er starb, schlossen alle ihre Läden und fuhren ganz schnell nach Hause, um so dem alten Gotteskrieger Respekt zu zollen. Andernfalls mussten sie befürchten, dass die Schlägertrupps von Shiv Sena  ihre Läden angezündet hätten.

Die 21jährige Facebookerin Shaheen Dhadha schrieb daraufhin: „Menschen wie Thackeray ´werden jeden Tag geboren oder streben, ohne dass deshalb alles zum Erliegen kommt.“ Das brachte einen hochrangigen Shiva-Krieger derart auf die Palme, dass sich die Parteispitze bei der Stadtverwaltung beschwerte, und die schickte der jungen Dame die Polizei ins Haus. Die nahm auch gleich eine Freundin von ihr mit, weil sie unter dem Facebook-Eintrag auf „like“ geklickt hatte. Den beiden soll jetzt der Prozess gemacht werden nach Abschnitt 505 des indischen Strafgesetzbuchs, der “Äußerungen, die Feindschaft, Hass oder Unstimmigkeiten zwischen den Klassen schürt“ unter Strafe stellt. Im schlimmsten Fall drohen den beiden langjährige Haftstrafen. Merke: ein hochgestreckter Daumen kann schlimme Folgen haben.

Das Gleiche gilt für einen unbedachten Tweet. Der Südkoreaner Park Jung-geun, ein 24jähriger Fotograf und Blogger, wurde vor ein paar Tagen eingelocht, weil er Twitter-Meldungen aus Nordkorea weitergepostet hat („geretweetet“, wie das auf Neudeutsch heißt), darunter eine, in der es hieß: „Lang lebe Kim Jong-il!“. Es gibt in Südkorea ein Gesetz, das “National Security Law”, dass den Bürgern bei Strafe untersagt, das nördliche Bruderland „zu loben, zu ermutigen oder Propaganda dafür zu machen.“ Natürlich wurde das Gesetz erlassen, lange bevor es Twitter gab. Macht nichts, dass Park eigentlich die Nordkoreaner damit eigentlich lächerlich machen wollte: Die Staatsmacht im angeblich demokratischen Südkorea kennt da überhaupt keinen Spaß!

Es drängt sich der Verdacht auf, dass Regierungen auch in Ländern, die sich als „Rechtsstaat“ bezeichnen, plötzlich der Internet-Gemeinde einen Maulkorb verpassen wollen. Was zu der skurrilen Situation führt, dass Dinge, über die sich im „richtigen“ Leben kein Mensch aufregen würde, dann besonders hart bestraft werden, wenn man sie online stellt. Und Sie dachten immer, das Internet sei rechtsfreier Raum? Von wegen: Die Gleichschaltung im Cyberspace ist bereits in vollem Gange!

 

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