Sieht so die Zukunft der Arbeit aus?
Die Zukunft hat die unangenehme Eigenart, einen oft an völlig unverhoffter Stelle einzuholen. Die Telekom Austria hatte mich eingeladen, anläßlich der Eröffnung ihres neuen Servicezentrums im alten Arsenalgelände eine Festrede zu halten, in der es um die Zukunft der Arbeit und mein neues Buch, „Unternehmen 2020“ gehen sollte.
Vorher bat mich allerdings noch eine bezaubernde junge Kollegin von „Standard“ zum Interview (das Ergebnis können Sie hier nachlesen), und wir unterhielten uns unter anderem über „nonterritoriale Arbeitsplätze“ und digitale Beduinen, die mit extrem leichtem Gerpäck durchs Leben reisen, statt wie ihre Vorgänger, die digitalen Nomaden, mehr oder weniger ihren gesamten Hausstand mitzuschleppen, wenn sie von einem Ort zum anderen ziehen.
Die Pressechefin der Telekom, die die ganze Zeit still daneben saß, verließ irgendwann unauffällig den Raum und kehrte wieder mit einer großen Plastiktüte, die sie mir nach dem Interview übergab. Darin steckte ein knallroter Quader mit Reißverschluß. Das sei ein „MiniMe“, sagte sie stolz. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter im neugschaffenen Service Center hat so ein Ding, um darin die persönlichen Dinge wie Frühstücksbrot, Familienfotos oder auch Unterlagen und Akten unterzubringen, die im Laufe des Arbeitstags gebraucht werden. Denn man hat bei der Telekom das Prinzip der nonterritorialen Arbeitsplätze bereits umgesetzt: Wer morgens zur Arbeit kommt, schnappt sich seinen MiniMe und sucht sich dann eines der 300 identischen Arbeitsplätze aus, um dort die nächste Schicht abzuarbeiten.
Die Dame vom „Standard“ fasste es sehr treffend zusammen: „Sehen Sie, Herr Cole, so schnell ist man in der Zukunft angekommen…“
Dumm nur, dass das nicht die Zukunft ist, sondern nur eine Fehlentwicklung, die aus darwinistischen Gründen irgendwann korrigiert werden wird.
Wer ständig wechselnde Arbeitsplätze hat, wendet keine Zeit mehr auf, um einen Stuhl zu finden, der zu ihm passt und der richtig eingestellt ist. Das ernährt die Orthopäden. Niemand wird eine Handgelenksstütze in seinem „MiniME“ unterbringen, obwohl es einige Menschen gibt, die ich kenne, die genau damit ihre Sehnen- und Gelenksprobleme loswurden.
Aber nicht genug: Wahre Kreativiät braucht Medienwechsel, auch wenn es Ausnahmen geben mag. Soll heissen, man hat nicht nur Files im Netzwerk, sondern Papier, Zeitschriften mit angestrichenen Artikeln, irgendein merkwürdiges Werbegeschenk, dessen Nutzen sich direkt nie erschliessen würde, obgleich er zweifelsohne vorhanden ist. Ach ja, und der Kalender an der Wand, der so viel informativer ist als der Tunnelblick auf eine Kalenderapplikation auf dem Bildschirm. Oder einfach nur zur Abwechslung. Ich bräuchte für ein omnia mea mecum porto ungefähr dreissig dieser MiniMEs.
Für manche Jobs und für eine begrenzte Zeit ist so ein minimalistischer Ansatz vorstellbar. Als Lebensaussicht hingegen wäre es reichlich trostlos. Und damit das nicht passiert, schreibst Du ja selbst, greift man zur Sabotage und transportiert neben den Akten auch noch das Pausebrot in diesem merkwürdigen Behälter. Spätestens wenn man Schreiben der Telekom Austria an den charakteristischen Fettflecken erkennt, denken die sich doch wieder was neues aus.
Kurz: Du hast vermutlich nicht die Zukunft gesehen, sondern eine gegenwärtige Entwicklung ohne echte Zukunft. 🙂