Mit HP von Salzburg nach Genf – oder auch nicht

Einer der Vorteile, wenn man Internet-Publizist, Buchautor, Fernsehmoderator und Technik-Journalist ist, besteht darin, dass man mit der Zeit eine Menge interessanter Leute kennenlernt. Du kannst zuschauen, wie aus kleinen Startups plötzlich Industrieriesen werden, oder wie sich Industrieriesen entwickeln oder, gelegentlich, mit lauten Getöse abstürzen.

Nicht hinschauen, Mark!
Nicht hinschauen, Mark!

Da denke ich gleich an HP. Nein, ich habe es nie wirklich geschafft, mit Bill Hewlett und Dave Packard in der legendären Garage zu stehen. Aber wie viele andere habe ich mit Entsetzen und Faszination zugeschaut, wie sich dieser einst so mächtige Pionier des Digitalzeitalters scheinbar mitten im Flug selbst zerlegte. Zum Beispiel als sich CEO Mark Hurd im Wortsinn mit den Hosen unten erwischen ließ, oder als die Dame Patty Dunn dabei erwischt wurde, wie sie Journalisten abhören ließ und das auch noch hartnäckig leugnete.

Was für eine Haufen hoffnungsloser Trottel! Ganz zu schweigen von solchen idiotischen Geschäftsentscheidungen wie der, Compaq für teuer Geld zu kaufen und ein paar Jahre später zu beschließen, sich komplett aus dem PC-Geschäft zurückzuziehen (eine Entscheidung, die Meg Whitman gottseidank im buchstäblichen letzten Moment wieder korrigierte).

Schluckbeschwerden
Schluckbeschwerden

Mir wurde manchmal schwindelig angesichts der ständigen Kurswechsel, den ständigen Hakenschlägen einer Firma, die mal versucht hat, ein besserer IBM als IBM zu sein, dann wieder eine Firma Palm kaufte, und zwar just in dem Moment, als der Boden unter dem PDA-Markt wegbrach (was ihnen jeder halbwegs intelligente Marktbeobachter hätte sagen können).

Dazu kommt die sehr öffentliche Blamage, aus dem Dow Jones Index herausgeworfen zu werden, nachdem man 50.000 Mitarbeiter an die Luft setzen musste. Ich denke, Bill und Dave haben sich wie Kreisel im Grab gedreht als sie mitbekamen, wie solche Luftnummern wie Carly Fiorina oder Lèo Apothker, ihr einst so stolzes Unternehmen an den Abgrund steuerten, nur um anschließend in dem Rauch ihrer eigenen Selbstüberschätzung oder ihrer offensichtlichen, strategischen Kurzsichtigkeit aufzugehen.

Ich sage nur: „Autonomy„. Der kleine Fehltritt von Léo kostete am Ende fast $9 Mrd., und am Ende standen sie bei HP da wie die Deppen.

Was für eine traurige Geschichte! Dabei habe ich immer eine Schwäche für HP gehabt, auch wenn sie mir fast das Herz gebrochen haben durch ihre Selbstdemontage im Zeitlupentempo.

Aus einem Industrieführer ist HP langsam eine Lachnummer geworden. Wer käme denn heute auf die Idee, HP in einem Atemzug mit solchen Innovationstreibern zu nennen wie Google, Facebook oder Apple? Im Grunde ist der Name HP aus der öffentlichen Wahrnehmung ganz verschwunden, jedenfalls aus meiner. Und in Wirklichkeit habe ich das für eine kluge Geschäftsstrategie gehalten: Mach einen Bogen um die Schlagzeilen und nütze die Zeit zum reflektieren und refokussieren, dann stehst du anschließend gestärkt und glaubwürdig wieder da. Oder so ähnlich.

Deshalb hat es mich auch so gefreut, als ich eine Einladung erhielt, nach Genf zu kommen und ein hochklassiges Briefing von den Bossen von HP zu bekommen. Ich habe mich darauf gefreut, den Top-Entscheidern von HP gegenüberzusitzen und ihnen die unbequemen Fragen zu stellen, die ich so gerne stelle und die CEOs so ungerne beantworten und für die einige von ihnen mich hassen. Aber, hey, es ist nicht persönlich, wie Marlon Brando im „Paten“ sagte – es ist Geschäft.

Aber leider kam heute Morgen ein Anruf von der PR-Agentur, die das Treffen organisieren sollte. Tut uns leid, sagten sie, aber wir schaffen es nicht, Sie von Salzburg nach Genf bringen.

Ich sollte vielleicht zugeben, dass ich es vorziehe, in einem hinteren Winkel der Salzburger Alpen zu wohnen – aber ich wohne auch nicht in der Wüste Gobi! In Wahrheit lebe ich davon, in ganz Europa herum zu reisen und auf Kundenveranstaltungen, Konferenzen oder Fachmessen zu reden, und ich bin bisher immer pünktlich da gewesen.

Okay, es ist manchmal eng geworden, zum Beispiel damals, als ich von Marienberg in der Schweiz nach Leipzig musste, was auch eigentlich gar nicht ging. Die Veranstalter haben mir einen Hubschrauber gechartert, der mich rechtzeitig zum Flughafen von Zürich brachte. Oder als ich mal den Nachtzug von Berlin nach Konstanz nehmen musste, damit ich am nächsten Morgen um 9 auf der Bühne stehen konnte. Das Leben eines Journalisten und Keynote Speakers ist manchmal ein logistischer Albtraum, aber irgendwie habe ich immer geschafft.

HP schafft es nicht. Und deshalb darf ich an diesem Tag mit meiner Frau Golf spielen gehen anstatt HP die Chance zu geben, meine möglichen Fehleinschätzungen zu korrigieren oder mich davon zu überzeugen, dass HP wieder da ist.

Statt dessen habe ich den fahlen Nachgeschmack im Mund, der mir sagt, dass HP nicht einmal in der Lage ist, jemanden von Salzburg nach Genf zu bringen. Und die erwarten von mir, dass ich ihnen glauben soll, sie könnten ein leckgeschlagenes Schiff wieder auf Kurs bringen?

Von wegen sich in den Fuß schießen: Ich würde diesen Typen nicht einmal zutrauen, mich bei starkem Verkehr sicher über die Straße zu bringen. So tief ist HP gesunken. Was Bill und Dave dazu wohl sagen würden?

Eine Antwort

  1. Nein Tim, kein Mitleid hab ich mit dir. Nicht jeder Event ist eine Reise wert. Weder ist Genf die schönste Stadt der Schweiz (das ist Basel, schon weil Basel gar nicht ist wie Genf), noch verspricht eine Veranstaltung mit HP in diesen Tagen kurzweilige Unterhaltung oder gar wegweisende Informationen oder Meinungen. Auch sollten dem Online- und Internet-Pionier jedwede Unternehmen, die ihre Gäste mit Hubschraubern aus den Bergen auszufliegen versprechen, nicht recht geheuer erscheinen.
    Du hast eine liebe Frau, ein hübsches Haus im Tal, einen durchgeknallten örtlichen Schützenverein, der über den See und über Bande zielt, einen Nadelbaumschnaps mit äußerst verwegener dentistischer Olfaktorik, einen maulwurffreien Rasen mit achtzehn Löchern, kurz: du hast dein Exil gut gewählt und nun freu dich gefälligst an deiner Eremitage. Dass du die doppelte Bedeutung der ἔρημος so trefflich als Wüstenbewohner und wüster Bewohner ausspielst, ehrt dich zur Genüge. All deine Rede „ist haschen nach Wind“ 😉

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