Die aktuelle Diskussion um den ganzen Themenkreis Geistiges Eigentum, Kunst und gerechte Entlohnung, Freiheit oder Kopierschutz, Gerechtigkeit für alle etc. etc. führt natürlich zu nichts. Es ist größtenteils eine Diskussion zwischen Verlierern. Die einen sind notorisch unterbezahlt und glauben, einen Schuldigen gefunden zu haben, die anderen mischen sich ein, weil es ihnen ihr Verleger nahegelegt hat, wieder andere sind die Heringe aus dem Schwarm, die gefressen wurden und die daher auf einmal das ganze Schwarmsystem in Frage stellen – oder eben die Haie, die sich gelegentlich einen Hering abgreifen.
Dazu kommen die aufeinanderprallenden und sich gegenseitig behindernden Geschäftsmodelle. Jede Seite pocht auf ihr Recht, unter staatlichem Schutz so weiter wirtschaften zu dürfen wie bisher. Und die Diskutanten? Gehen aufeinander los. Kaum einer sagt, was er will, wie er sich die Zukunft vorstellt und was er als gerecht für alle empfinden würde. Beinahe jeder beschreibt lieber, wieso die Gegenseite kriminell ist oder zumindest so agiert. Man beschimpft sich als Mafioso oder als Räuber und Dieb.
Aus Fehlern und Gedankenlosigkeiten der Verwertungsgesellschaften wie etwa der GEMA wird sofort geschlossen, dass das ganze System der Verwertungsgesellschaften nichts taugt. Von der Politik ist nicht viel zu erwarten, denn noch ist den meisten Politikern unklar, welche Meinung mehr Wähler bringt respektive weniger Wähler vergrault.
Hinzu kommt, daß bis auf ganz wenige Einzelpersönlichkeiten kaum ein Politiker Ahnung hat vom Thema, insbesondere von modernen Medien, sieht man mal von der Piratenpartei ab, deren Anhänger allerdings auch in der Gefahr sind, sich zu überschätzen, da die lange Konfrontation mit Ahnungslosigkeit eine gewisse Überheblichkeit befördern kann.
Vielleicht ist das der Hintergrund, wieso ich mich so lange nicht in die Diskussion einmischen wollte. Aber nun ist es passiert und ich fürchte, sehr schnell auch mittendrin zu sein. Dabei werde ich niemandes Partei ergreifen. Schlimmer noch, wenn es schlecht läuft, verderbe ich es mir mit allen und verkleinere meinen Freundeskreis.
Da muß ich halt durch. Wichtig ist, weiterhin zu unterscheiden, was es denn genau für Themen gibt. Wir neigen schnell dazu, alles zu verallgemeinern. Zeitungssterben? Lohnt sich nicht zu lösen, wir wollen sofort ein ganz neues Urheberrecht mit Leistungsschutzrechten, mit Bildrechten, allgemeinen Texten und Musik. Ach ja, vergessen wir nur nicht die Filme. Und vielleicht die Patente auch nicht? Und Software, klar.
Die Römer hatten da den vielversprechenderen Ansatz: Divide et impera, teile und herrsche. Sie haben es zwar, das muss man zugeben, ganz anders gemeint. Nach römischer Vorstellung läuft das heute gerade alles sehr richtig. Die einzelnen Urheberrechtsparteien sind heillos zerstritten und würden im Ernstfall kaum die Kraft haben, sich gegen rücksichtslose Besatzer zu wehren. Im übertragenen Sinne ist die Idee aber zielführend, das Thema in einzelne Fragen zu teilen und zunächst einzelne Mythen bloßzustellen.
Nachdem dies geklärt ist, kann ich mir leisten, mich in in loser Folge ab jetzt immer wieder zu Wort zu melden und mich einzumischen. Und wer dann meint, der eine oder andere Artikel sei zu kurz gesprungen, nicht allgemein genug, berücksichtige das eine oder andere nicht, dem schicke ich den Link zu diesem Text hier. Und hier geht es zu den einzelnen Artikeln (jedenfalls sobald sie fertig sind):
Mythen, Thesen und Lösungen
- Mythos #1: Geistiges Eigentum gibt es nicht
- Mythos #2: Künstler haben es schwerer als früher
- Mythos #3: Ohne das Internet ginge es den Künstlern besser
- Mythos #4: Das Urheberrecht muß überarbeitet werden, weil
sich durch das Internet alles verändert hat - Mythos #5: Das Urheberrecht sorgt dafür, daß alle Kreativen gleich fair behandelt werden
- Mythos #6: Ohne Verwertungsrechte sähe die Musik heute ärmer aus
- Mythos #7: Der Streit ums Urheberrecht ist ein Internet-Problem
- Mythos #8: Alles, was von Komponisten geschaffen wird, muss geschützt werden
- Mythos #9: Das Leistungsschutzrecht verhilft den Verlagen zu ihrem gerechten Anteil am Kuchen
- Mythos #10: Wenigstens hilft das Leistungsschutzrecht den Verlagen
- Mythos #11: Niemand ist bereit, für Leistung im Internet zu bezahlen
- Mythos #12: Das Internet ist ein rechtsfreier Raum
- … wird fortgesetzt
Bildquelle: Wikimedia, mit Dank an den User Usien
4 Antworten
Da hast du dir aber mächtig was vorgenommen. Aber ich bleibe trotzdem dein Freund…
Zu Punkt #3 würde ich mich sehr über eine Referenz auf den Comedian Louis C.K. und den Musiker Trent Reznor freuen. Für viele nichts Neues mehr: Beide vertreiben ihre Arbeit in Eigenregie über ihre eigene Website und berechnen nach „fair use“, also: Zahle, was du meinst, dass es wert ist. Die Inhalte gibt es DRM-frei zum Download, man wird nur höflich gebeten, sie nicht via Torrents zu verbreiten. Und wenn doch, dann bitte unverändert und mit Link auf ihre Website.
Beide haben mit diesem Modell unchristlich hohe Gewinne erzielt, und viele andere Musiker und Comedians ziehen nach.
Trent Reznor hat zu seinem letzten Album eine auf 500 Stück limitierte „Hardcore Fan Edition“ zu $500 je Exemplar angeboten (mit Album, Booklet, T-Shirt, Poster, DVD mit unveröffentlichten Live-Mitschnitten etc.). Sie waren innerhalb weniger Stunden verkauft.
Währenddessen entschuldigt sich die isländische Gruppe Gus Gus bei ihren Fans, dass sie ihr Album erst über Amazon veröffentlichen müssen – ihr Label will es so. Das folgende Album („Arabian Horse“, wirklich gut) haben sie ohne Label veröffentlicht und ist bisher das erfolgreichste der Gruppe.
@Tobias Fuchs: Ich habe Louis C.K. nicht drin, auch nicht Trent Reznor. Und auch nicht Cro, Gaby Amarantos, Amanda Palmer und The Weeknd. Die standen alle hübsch nebeneinander als Erfolgsgeschichten letztes Wochenende, und zwar nicht in einem Spontimagazin, sondern in der guten alten FAS. Witzigerweise neben einem Artikel, in dem sich ein Pornodarsteller vehement für das Urheberrecht und gegen die Kopiermentalität stark macht. Weil im Pornogeschäft das mit dem Merchandising nicht so hinhaut. Ich schmunzle immer noch.
Was bei #3 drin sein wird, ist, pars pro toto, ein Verweis auf die Aktion von Radiohead 2007. Deine Hinweise sprengen meinen Rahmen ein bisserl, das wäre ja Stoff für einen eigenen Artikel. Magst Du den nicht gleich selber schreiben (sobald meiner draussen ist, etwa in einer Woche)? Wir haben ja auch immer wieder Gastbeiträge hier.