Es gibt einen Kuchen, jemand hat ihn gebacken, und nun will jemand anderes davon ein Stück haben, ein möglichst großes natürlich. Und ganz im Gegensatz zur Diskussion um geistiges Eigentum geht es hier um ganz konkrete Dinge. Kuchenstücke eben. Anteile an Geld.

Presse sieht heute so aus: Eine Zeitung bezahlt einen Reporter für die Beschaffung von Inhalten, oder, noch typischer, sie bezahlt einen Dienst mit der Lieferung von Texten, die mehr oder weniger bearbeitet ihren Weg in die Druck- und Online-Ausgaben finden.

Die Online-Ausgaben wiederum werden von Softwarerobotern durchforstet und ihrerseits von sogenannten Newsaggregatoren wie beispielsweise Google dem Publikum zur Verfügung gestellt. Alles sauber mit Quellenangabe – es soll nicht der Eindruck erweckt werden, Google würde die Texte erstellen.

Bis jetzt ist alles prima. Jeder, der im Internet Inhalte anbietet, wartet ungeduldig auf den Besuch durch die Googlerobots, denn bevor die da waren, wird man nicht gefunden. Das gilt auch für Nachrichten – wer wie oft als relevantester Anbieter eingestuft wird, wer ganz oben in der Liste steht bei Dingen, über die mal wieder alle berichten, ist eine Wissenschaft für sich. Die Verlage wenden dafür Geld auf, denn gute Positionen in diesen Listen liefern Leser. Bei wiederholten Besuchen möglicherweise sogar neue Stammleser. Und, auch das ist nicht auszuschließen, sogar Abonnenten.

Natürlich muß nicht jeder teilnehmen. Es gibt einen simplen Mechanismus, mit dem man Suchmaschinen von seinen Seiten fernhalten kann. Aber wer will schon nicht gefunden werden? Vor allem, wenn er Publizist ist, also vom Veröffentlichen lebt? Dennoch, es geht. Man legt eine Datei namens „robots.txt“ auf den Server und schon kann man genau sagen, wer von den Robotern einen besuchen darf und wer nicht. Dieser Mechanismus ist eine echte Internetnorm, ich kenne niemanden, der dagegen verstößt. So hält man sich bei Bedarf die Roboter vom Leib. Das geht durchaus äußerst detailliert. Ein Beispiel:

User-Agent: Googlebot-Image
Disallow: /

Voilà, schon werden die Bilder einer kompletten Website nicht mehr bei Google gelistet. Die Texte natürlich schon – man wird weiter über die wichtigste Suchmaschine gefunden, nur eben nicht die Bilder. Was einem neben den Robotern möglicherweise auch Anwälte vom Leib hält, dann nämlich, wenn man mit „gestohlenen“ Bildern arbeitet. Was nicht als Empfehlung verstanden werden sollte – aber Verstöße dieser Art werden typischerweise mit Suchmaschinen aufgespürt. Wie auch sonst …

Für alle Nichtroboter, also Menschen etc., funktioniert dieser Mechnismus nicht, aber da gibt es immer noch den Ehrenkodex des korrekten Zitats. Die Zeitungen machen das selbst, gibt es in vielen Blättern und heißt meist „Presseschau“. Dafür zahlen sie sich gegenseitig natürlich nichts.

Wo ist denn nun das Problem? Das eigentliche Problem ist das schleichende Zeitungs- und Verlagssterben bei uns. Angesichts der Millionen, die Firmen wie Google mit ihren Internetangeboten scheffeln, löst das scheeläugigen Neid bei denen aus, denen das Wasser bis zum Halse steht. Und so entstand die Forderung nach einer Gewinnbeteiligung. Der Arme bittet den Reichen um ein Almosen, nur daß hier der Arme so tut, als habe sich der Reiche an ihm bereichert und schulde ihm das Geld irgendwie.

Daß man dem Ganzen den Namen Leistungsschutzrecht gibt, ist auffällig. Es soll wohl eine Art Analogie geschaffen werden zur Musik. Nur hinkt der Vergleich. Bei der Musik gab es durch die Benachteiligung der Interpreten und der Tonträgerhersteller tatsächlich eine Schutzlücke, die durch das sperrige Leistungsschutzrecht geschlossen werden sollte. Bei Texten gibt es diese Schutzlücke nicht. Niemand darf einfach Texte nehmen und unter seinem eigenen Namen veröffentlichen, ja, nicht einmal daraus über einen bestimmten Prozentsatz hinaus zitieren, wenn er nicht von den Rechteinhabern dazu ermächtigt wird. Letzteres sind bei Zeitungen immer die Verlage, denn sie verlangen von den Autoren ein Maximum an Rechteübertragung, für etwaige Zweitverwertungen. Und eben diese Verlage, das erwähnten wir bereits, legen es darauf an, dass sie von Google zitiert werden. Unter diesem Licht betrachtet ist das Wort Leistungsschutzrecht schon Chuzpe. Die eigentliche Leistung eines Zeitungsverlags ist es, gute Texte zu finden und sich das Vertrauen seiner Leser zu verdienen. „Was, das stand in der Zeitung? Dann muß es ja stimmen!“ Dazu kommt noch das Layout – der Leser findet sich jeden Tag aufs Neue gut und schnell zurecht. Zwei Leistungen die man nicht schmälern darf – aber beide haben mit dem Leistungsschutzrecht nichts zu tun und vom Urheberrecht sind wir auch schon weit weg.

Damit könnte man das Kapitel schließen, es gibt keinen Grund, Google und Co. das Geld zwecks Umverteilung abzuknöpfen. Bearbeitet von der unermüdlichen Lobby der deutschen Presseverlage haben aber nun die Politiker eine erschreckende Wendung in die Sache gebracht: Sie haben sich den Forderungen angeschlossen. Pikanterie am Rande: Ausgerechnet die FDP hat sich mal wieder für einen Job einspannen lassen, der so überhaupt nicht in ihr Programm passt. Staatliche willkürliche Umverteilung, das ist ein Volltreffer, der das Hotellerie-Geschenk harmlos erscheinen läßt.

Und das Ganze auch gleich in der verschärften Version: Wer auch nur auf irgendetwas verlinkt und dazu eine kleine Kostprobe des Inhalts gibt, um den potentiellen Besucher zu ermuntern, dem Link auch zu folgen, soll eine Abgabe in noch nicht festgelegter Höhe leisten. Das beträfe wirklich viele Menschen im Internet, in erster Linie Blogger oder Twitterer. Im Grunde gibt es auch keinen Unterschied zwischen einem kleinen Blog und Google – bis auf die Anzahl der Besucher. Aber wieso nur Internet? Eigentlich müssten sämtliche Überlegungen auch für einen Politiker gelten, der im Bundestag und vor den Phönixkameras mit einem Zeitungsartikel herumwedelt, um daraus vorzulesen. Absurd würde er das wohl finden, dafür zur Kasse gebeten zu werden. Ich höre ihn schon, ein Leistungsschutzrecht sei weder moralisch noch logisch zu begründen, diese Art von Schutzgelderpressung sei abzulehnen. Diese Meinung ändert er erst nach einem vertraulichen Gespräch mit einem Vertreter der Presse – schon klar.
Bildquelle: www.holytaco.com

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Was bisher geschah:

Einleitung
Mythos #1: Geistiges Eigentum gibt es nicht
Mythos #2: Künstler haben es schwerer als früher
Mythos #3: Ohne das Internet ginge es den Künstlern besser
Mythos #4: Das Urheberrecht muß überarbeitet werden, weil sich durch
das Internet alles geändert hat
Mythos #5: Das Urheberrecht sorgt dafür, daß alle Kreativen gleich
fair behandelt werden
Mythos #6: Ohne Verwertungsrechte sähe die Musik heute ärmer aus
Mythos #7: Der Streit ums Urheberrecht ist ein Internet-Problem
Mythos #8: Alles, was von Komponisten geschaffen wird, muss ge-
schützt werden

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