Neven DuMont auf der Suche nach der Zukunft des Qualitätsjournalismus

dumont

Verleger Konstantin Neven DuMont

Konstantin Neven DuMont ist schon immer einer der innovativsten in der Riege der deutschen Zeitungsverleger. Er hat eine in seiner Branche eher selten anzutreffende Affinität zur Online-Kommunikation, ist Verleger mit Herz und Verstand und besitzt die notwendige Risiko- und Aktionsbereitschaft, um die Fußstapfen seines Vaters zu verlassen, die im Internet-Zeitalter keine Orientierung mehr geben können. Letzteres hat er durch die Übernahme der Frankfurter Rundschau vor einigen Jahren bewiesen.

Jetzt kündigt er in der Süddeutschen Zeitung nochmals Versuche zur Einführung bezahlter journalistischer Online-Dienste an.

DuMont ist ein glaubwürdiger Verfechter eines traditionellen und gleichermaßen innovativen Qualitätsjournalismus. Er wurde wegen der Zusammenführung redaktioneller Kompetenzen seiner Blätter Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost heftig kritisiert und hat dabei doch nur versucht, Kosten nicht zu Lasten der Qualität, sondern zu Lasten der Anzahl von Arbeitsplätzen zu senken. Die Kollegen von ver.di können das natürlich nicht gut heißen, aber DuMont vorzuwerfen, er arbeite am Totenbett des Journalismus, indem er dessen Pluralismus und die Unabhängigkeit des Journalismus beschneide, ist grober Unfug.

In der SZ vom 13. Februar 2010 weist er nun zum wiederholten Male den Weg in Richtung bezahlter journalistischer Online-Inhalte: “Die Inhalte lassen sich nicht allein durch Werbung finanzieren”. Seine Lösung ist ein einheitlicher Registriervorgang für Nutzer journalistischer Online-Angebote unterschiedlicher Verlage und er vergleicht das “mit einer Bahnhofsbuchhandlung …, in der ja auch alle Verlage vertreten sind. Vorne ist eine Kasse, und von dort aus werden die Einnahmen wieder an die Verlage verteilt.”

Soweit, so gut. Das klingt nach einem Modell, wie ich es auf Czyslanky in der Diskussion der Vorschläge von Gruner & Jahr Chef Buchholz bereits formuliert habe:  “Ich will nicht mehr darauf verzichten über das Internet in allen großen Magazinen zu recherchieren. Ich will die Qualität des F.A.Z. Feuilletons mit der Wirtschaftskompetenz des Handelsblatt und der politischen Kompetenz der Süddeutschen Zeitung verbinden. Gut: und dann auch noch den Sportteil der Nürnberger Nachrichten lesen … Und ich bin bereit, dafür zu bezahlen. Aber ich kann nicht zehn Online-Dienste von zehn Verlagen abonnieren”

Online-Abo oder Micropayment: eine taktische Diskussion um die Zukunft des Qualitätsjournalismus im Internet

DuMont plädiert für ein gemeinsames MicroPayment-System der Verlage, in dem der Leser für jeden einzelnen Artikel mit investigativen und exklusiven Inhalten “ein, zwei,drei Cent pro Artikel” bezahlen soll. Das aber ist genau der Knackpunkt, an dem ich um den Erfolg seiner Initiative fürchte. Ein Micropayment-System baut die Hürde vor dem Bezahlen bei jedem einzelnen Lese-Akt auf. Online-User, die erst wieder ein Bewusstsein dafür erlangen müssen, dass nicht alles umsonst und kostenlos sein kann, dass das Urheberrecht (ja lieber Tim: das was Du hier für überflüssig erklärt hast) die Basis für professionelle Content-Produktion sein kann, solche Online-Konsumenten werden davor zurück schrecken in jedem Einzelfall einen kleinen Obulus für Qualitätsinhalte zu entrichten. Allemal erfolgversprechender wäre ein System eines Gemeinschafts-Abos für Online-Journalismus.

Mein Tipp an die Verlage mit Qualitätsanspruch: Knöpft uns monatlich 20 oder 50 Euro ab und lasst uns dafür Monat für Monat 400 oder 1.000 wirklich hochwertige journalistische Beiträge lesen – egal von welchem der beteiligten Verlage und egal von welcher Site. Ihr zählt die Abrufe und teilt die Abo-Einnahmen unter Euch erfolgsorientiert auf. Ein Abonnement für Qualitätsjournalismus deutscher Verlage: das ist der Weg! Er ist einfacher, transparenter und verbraucherfreundlicher, als ein eigenes MicroPayment-System. Und er ist hochgradig zeitungsaffin: wir sind doch schon Eure Abonnenten!

11 Antworten

  1. problem daran: Es entsteht ein Einheitspreis. Die Verlage können nicht allein Preise für Beiträge erhöhen oder senken. Das wird Ihnen nicht gefallen – außerdem werden die Verlage auch für Ihre Autoren transparent, die aufgrund der Abrufe nach einem gerechteren Anteil rufen werden (hoffentlich). Auch das werden die Verlage nicht wollen.

  2. @ christoph witte,

    das muss nicht so sein. was spricht dagegen, dass die verlage im rahmen des abos ihre beiträge unterschiedlich gewichten. dann gibt es eben ein „punktwertesystem“, wie wir es von bilddatenbanken im internet her kennen. die beisten meiner postings sind mit bezahlten bildern illustriert. der preis ist so niedrig, dass man sich das leisten kann. die nutzungsrate so hoch, dass es sich für die datenbanken trotzdem lohnt. eine echte win-win-situation. das geht auch bei redaktionellen inhalten.
    dass das ganze für autoren transparent wird sehe ich nicht. es wäre aber auch nicht wirklich schlimm.

  3. Ja, @Michael, nicht nur ich werde alt. Auch du schaffst es nicht. Dich von alten, liebgewonnenen denk- und Geschäftsmodellen zu trennen.

    Nein, den Qualitätsjournalismus rettest du auch nicht, indem du einen Bahnhofskiosk ins Internet stellst (und überhaupt: Das Feuilleton der FAZ nach den Erfahrungen mit Schirrmacher als Paradebeispiel von Qualitätsjournalismus aufzuzählen halte ich für dreist).

    Der Geist von „free content“ ist aus der Flasche entwichen, Pandorras Kiste ist leer. Der Qualitätsjournalist muss sich eine andere Überlebensstrategie ausdenken. Vielleicht so wie Frau Hegemann: sampeln und daraus ein Buch basteln. Bücher laufen immer noch (zunehmend als „E-Book“). Oder so wie ich: Schreibe ein Buch, schreibe ein Blog (für lau oder fast lau) und rede anschließend drüber (für Geld). Viele IT-Journalisten geben offen zu, dass die schlecht- oder unbezahlten Artikel, die sie in den PC-Magazinen unterbringen können, nur die Visitenkarten sind, mit denen sie sich bei Firmenkunden empfehlen. Die zahlen nämlich noch ganz brauchbare Honorare.

    Und die anderen? Nun, vielleicht fällt ihnen etwas anderes ein. Vielleicht überleben sie in Hochqualitäts-Biotope wie den Economist. Vielleicht sollten wir die Stiftungsidee wieder aufgreifen.

    Ich bin ohnehin nicht überzeugt, dass alles, was heute noch unter dem Namen „Qualitäts-Journalismus“ auftritt, ernsthafter Prüfung standhält. Stefan Niggemeier berichtet von einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die zu einem vernichtenden Urteil kommt:

    Gemessen an den strengen Kriterien an Qualitäts-Journalismus, die Verleger und Chefredakteure selber aufgestellt haben, versagen die meisten ihrer Nachrichten-Sites. Kennzeichen des tatsächlich vorherrschenden Nachrichten-Journalismus sind Zweitverwertung, Agenturhörigkeit, Holzschnittartigkeit, Eindimensionalität und Einfallslosigkeit. Gegen das Trennungsgebot von Werbung und redaktioneller Berichterstattung wird systematisch verstoßen.

    Und dafür soll ich auch noch bezahlen? Ha, ha, ha!

  4. „Online-Abo für 20 bis 50 Euro, um 400 bis 1000 Artikel lesen zu können“. OK, das ist ein realer Vorschlag. Lassen wir mal beiseite, dass bekanntermassen die Online-Content-Zahlungsbereitschaft der allermeisten dagegen sprechen könnte.
    Eröffnen wir hingegen die Gesamtrechnung, die pro Monat in Medien fliessen (im Pi-mal-Daumen-Verfahren des bildungsinteressierten Durchschnitts):
    – GEZ: knapp 20 Euro
    – Tageszeitung (derzeit), Print: rund 25-30 Euro
    – Wochenzeitung/Magazine: 20-40 Euro
    – Internet: rund 20-30 Euro
    – Mobilkommunikation: rund 10-30 Euro (je nach „Medienkonsum“ via Smartfon ins Internet)
    Ja, ja, das ist grob geschätzt, bestimmt gibt es dafür valide Statistiken, da kann man ja die Kommastellen nachtragen. Summasummarum kommt man auf 95-150 Euro, klar, pro Haushalt, mitunter, oft aber pro Person. Auf diesen Etat nochmals 20 bis 50 Euro draufzulegen, das würde vielen sichtlich schwer fallen. Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass ja auch für Filme, Musik und Bücher, Kino-, Konzert- und Theaterbesuche ein Etat pro Haushalt existiert. Angesichts der Einsparungen, die das Internet bekanntermaßen bringt, sind hier Mittel frei, wovon die Live-Erlebbnis-Brnache schon seit Jahren proftiert und gesund wächst.
    Gleichwohl: 20-50 Euro für eine Art Kombi-Abo oder zusätzliche Online-GEZ, das erscheint in der Art und der Summer – mir jedenfalls – schwer durchsetzbar.

    Micropayment, die Bezahlung in Kleinstbeträgen, die man einfach so abnickt, bzw. ab„klickt“, wie für eine SMS (19 cent, um „Wo bist Du gerade?“ zu fragen), wie für einen Klingelton oder einen Artikel als PDF, sind die besser angenommene Variante, mitunter ja auch im Prepaid-Verfahren. Die Akzeptanz ist hier jedoch gefährdet durch die „Wollen Sie xxx wirklich kaufen?“-Einzelbestätigungen, die einem bei einer Zeitung und für jeden Artikel schnell zu viel würde, ganz gewiss. Irgendwie müsste dass pauschaler, eleganter gehen, so wie bei einer SMS (man stelle sich vor, vor jeder SMS würde erst die Preisinfo und dann die „Wollen Sie wirklich“-Nachfrage kommen, es würden vermutlich nur halb so viel SMS rausgehen). Das aber hiesse tatsächlich, Einheitspreise einzuführen, Pauschalen, die sich über Längen und andere Faktoren hinwegsetzen (ein Musikstück kostet ja in der Regel 99 Cent, egal ob es 2 oder 6 Minuten lang ist). Aber, eine gute Mischkalkulation würde das schon wuppen. Richtige Idee also?

    Man könnte aber noch einen Schritt weiter denken und Informationen, Nachrichten, medialen Content als ubiquitären Rohstoff, als Grundversorgungs-Masse zu betrachten, wie Wasser, Strom, Gas, Benzin, Öl. In diesen Bereichen wird ja schlicht nach verbrauchter Menge berechnet, bei Vielfalt in Qualität, Anbietern und sehr schwankenden Preisen. Das Maß ist der Verbrauch. Das Gleiche könnte für digitalen Content gelten, das Maß dafür wären Byte, also fliessende Daten. Jeder Download zählt, jede Übertragung von Daten zum Verbraucher wird abgerechnet. Und zurückgeführt (ausgeschüttet) auf jene, die den Content erstellen. Also, zumindest als eine Art Basis für alle Content-Schöpfer und -Veredler, könnte das ein neuer Ansatz sein. Über den habe ich mir mal ausführlicher und „laut“ Gedanken gemacht, und zwar hier:
    http://www.freitag.de/community/blogs/hest/inhalte-sind-wie-wasser–jede-nutzung-zaehlt

  5. An der Idee missfällt mir, dass hier Verleger gerettet werden, aber nicht der Journalismus. Ich glaube an die Zeitung, unverbrüchlich, auch wenn sich halt grad was ändert. Vielleicht geht es uns einfach nur noch nicht schlecht genug. Noch immer gibt es Journalisten, also echte. Nicht nur solche, wie wir sie aus rührseligen Spielfilmen kennen, die ein Ethos beschwören, das bereits vor Jahren schon hoffnungslos idealisiert schien.

    Wenn das letzte Blatt mit eigenem Inhalt eingestellt ist, kommt irgendwer auf eine fabelhafte Idee: Lasst uns eine Zeitung machen. Nur echte Inhalte. Strenge Trennung von Anzeigen und Redaktion. Korrespondenten, die überall sitzen, wo was los ist. Und eine politische Ausgewogenheit, die sich unter anderem darin zeigt, dass sich die Kommentatoren oft nicht einig sein und herrliche Polemiken gegeneinander abfeuern. Und weil das eine großartige Idee ist, wird es auch gemacht. Und viele Menschen werden einen Teil ihres Mediabudgets genau dafür hinblättern, und die anderen schauen weiter taff, Galileo oder SpiegelTV und lesen, nun ja, nichts. Und sie werden nichts vermissen.

    Die Ärmsten.

  6. @ hest
    Micropayment oder „pay-per-view“ funktioniert bei Klingeltönen, weil es Usus ist, dass Klingeltöne Geld kosten. Im Online-Journalismus stehen aber bezahlte Inhalte im Wettbewerb zu den vielen kostenlosen. Deshalb halte ich die Akzeptanzwerte nicht für übertragbar.
    Die Abo-Höhen lassen sich einfach staffeln. Für bestimmte Zielgruppen (Studenten, Schüler, Knastis) sind kostenlose Abos sogar viel einfacher durchzusetzen, da es ja keine Vertriebskosten mehr gibt.
    Und zu den Preisen: Mein SZ-Abo kostet mehr als 40 Euro pro Monat. Mag sein, dass meine Preisvorstellung für’s Online-Abo zu hoch sind. Wenn wir aber schon mal so weit wären, dass wir über Preise, statt über Strukturen und die Schwerfälligkeit unserer Verlagslandschaft reden, wäre viel gewonnen.

    @svb
    Korrekt, es handelt sich hier „nur“ um ein Rettungsnetz für das klassische Mediensystem. Daneben entsteht ein durchaus neues „bürger“journalistisches System in Netz, das zum Teil hohe Qualität hat. Das ist auch gut so. Daneben wird es auch weiterhin klassische gedruckte Zeitungen geben. Nicht mehr sehr viele und für nicht mehr sehr viele Leute. Wir beide mögen zu deren Zielgruppe gehören. Aber es gibt auch viele journalistische Inhalte, die ich online nutze. Und warum soll ich dafür kein Geld bezahlen, nur weil das Papier gespart wird? Ich zahle doch eine Zeitung auch nicht nach Kilogramm, sondern nach „Inhalt“.

    @tim
    hegemann sampelt nicht, sie stapelt. und zwar ziemlich hoch.

  7. @mik: Ich hab nicht von Papier geredet 🙂 das Medium war mir wurst. Ich bezweifle nur, dass Verleger, die sich retten, automatisch den „guten Journalismus“ retten 🙂 soll heissen, ich unke nur und bin nicht konstruktiv. Ausnahmsweise.

  8. Frage: Warum brauchen wir überhaupt noch Verleger, warum schreiben denn die Qualitätsjournalisten keine Qualitätsblogs … Verleger brauchte man nur, als es noch teuer war Papier zu bedrucken und zu verteilen.

    Dann Werbung, Affiliate, Mircopayment, Abo, oder auch Spenden-Button, das sollte zur Finanzierung eines unabhängigen Blogs ausreichen.

    Czyslansky ist schliesslich auch 100% Verleger frei … und das ohne Finanzierung und was Tim Cole angeht sogar ohne Urheberrecht ….

  9. @ alexander:
    wir leben nicht von czyslansky, sondern machen das zwar seriös, aber doch aus spaß. journalismus ist aber kein spaß. ein guter journalismus leistet etwas für MICH, also sollte ich dafür auch bezahlen. warum sollen geistiger immaterielle dinge anders behandelt werden wie ein stuhl? den bezahl ich auch. journalismus ist gedanken-stuhl; im zweiten sinne gilt das auch für den boulevard 😉

  10. ich muss zugeben, bezahlt habe ich noch nirgends für einen artikel.

    was mich fast genauso nervt, sind die registrierungszwänge, wenn man auf einer eigentlichen web 2.0 seite kommentieren will. ich habe schlicht keine lust, mich jedesmal und auf jeder seite einzuloggen und mir verschiedene passworte und nutzernamen zu merken, wenn ich kommentieren will.

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