Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Verleger und das Internet

Da haben sich also in München die Vertreter der großen deutschen Verlage von Springer über Gruner & Jahr bis zu Burda zusammen getan und eine „Münchner Erklärung“ formuliert. Ziel dieses Papiers (sic!): Die Online-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland einzudampfen und radikal zu beschränken. Deren Angebote dürften im Web weder journalistischen Charakters sein, noch Ratgeber-Funktionen beinhalten und auf gar keinen Fall mit Werbung garniert werden, in jedem Fall aber nach 7 Tagen zu löschen sein. Eigentlich, so der Tenor der Erklärung, sollte das ZDF in Zukunft am besten nur noch die Mainzelmännchen im Internet zur Verfügung stellen.

Grund des grotesk anmutenden Ansinnens: Das bekanntlich aus Zuschauer-Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Angebot gefährde die publizistischen Aktivitäten der privatwirtschaftlichen Presse im Internet. Mann will sich also einen unliebsamen Wettbewerber vom Hals schaffen. Verständlich – zumal keiner der erklärenden Verlage bislang auch nur ansatzweise ein ähnlich gelungenes, modernes und multimediales, zugegeben: auch aufwändiges Informations- und Unterhaltungsangebot im Internet an den Start gebracht hat, wie etwa die „Mediathek“ des ZDF.

So weit, so durchsichtig, könnte man meinen und mit einer Bewegung des Zeigefingers Richtung Schläfe zur Tagesordnung übergehen. Doch der Sachverhalt und dessen Hintergründe sind komplexer und lohnen durchaus der Reflexion und Diskussion. Ganz und gar unabhängig von „Münchner“ und anderen, durch das Eigeninteresse gesteuerter Erklärungen.

Das Öffentlich Rechtliche Rundfunksystem entstand in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg – übrigens nach dem Vorbild der englischen BBC, die jüngst im Web mit einem noch viel weiter gehenden Angebot als ARD und ZDF es realisiert haben, für Furore sorgte. Der historische Grund für den Aufbau öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland bestand also zum einen in der noch unter dem Eindruck des gerade besiegten Nazi-Regimes in Deutschland mehr als verständlichen Intention, den Rundfunk aus den Klauen des Staates und der Regierung zu befreien, um ihn von einem reinen Propaganda- zu einem unabhängigen, kritischen Informationsmedium zu machen. Der andere Grund: Die knappen Frequenzen für die damals einzig mögliche terrestrische Verbreitung von Radio und Fernsehen nicht zum Spielball wirtschaftlicher (Verleger-)Interessen werden zu lassen. Zumal deutsche Verleger die im Zweifelsfall (siehe Hugenberg) auch gern einmal in den Dienst politisch reaktionärer Meinungsmache gestellt hatten.

Beide Gründe sind heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, weitgehend hinfällig geworden. In Deutschland besteht heute weder die Gefahr eines privat-wirtschaftlichen Medien-Monopols, noch die Gefahr zu geringer Distributionskapazitäten für Radio und TV – wozu gerade das Internet in letzter Zeit zunehmend beiträgt. Und das zu Preisen, die auch kleine und kleinste Sparten-Sender im Web ermöglichen – vorausgesetzt Bayern bleibt mit seinen kruden Vorstellungen von einer „Streaming-Gebühr“ für Web-TV-Veranstalter allein und treibt mit dieser eigenartigen „Standort-Politik“ Web-TV-Veranstalter in benachbarte, freundlicher gesinnte Gefilde.

Die aktuell zu diskutierende Frage lautet also: Brauchen wir heute überhaupt noch einen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk nebst „Zwangs-Pay-TV“ (original-Ton Georg Kofler, Ex-Premiere-Chef)? Was mancher Zeitgenosse angesichts öffentlich-rechtlicher Trash-TV-Veranstaltungen zwischen Volksmusik und Quiz-Shows, die keinen Vergleich zum privaten „Unterschichten-Fernsehen“ (Original-Ton Harald Schnidt) zu scheuen brauchen, ernsthaft bezweifeln dürfte. Aber wollen wir auch eine TV-Landschaft ohne „Tagesthemen“ und „Aspekte“, ohne „Tatort“ und „Kleines Fernsehspiel“? Ist das Fernsehen also zwischen täglichen Brüll-Talks und abendlichen Schlüsselloch-Promi-Magazinen endgültig reif für den Müllhaufen der Medien-Geschichte?

Wer das nicht so sieht, wer ein öffentlich-rechtliches Angebot für eine sinnvolle Ergänzung der privatwirtschaftlichen Medien hält, der muss den Öffentlich-Rechtlichen auch Zugangsmöglichkeiten zu modernen Distributionsnetzen wie dem Internet gewähren. Denn Medien machen nur Sinn, wo sie ihre Nutzer auch erreichen und wo sie neue technische Möglichkeiten für innovative mediale Angebote nutzen können. Ob dazu auch eine die bereits saftigen Gebühren ergänzende Werbefinanzierung öffentlich-rechtlicher Publizistik zählt, steht auf einem ganz anderen Blatt und könnte durchaus ein Inhalt der notwendigen gesellschaftlichen Debatte über die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland sein.

16 Antworten

  1. Also, ich könnte mir eine Welt ohne „Tatort“ und „Kleines Fernsehspiel, vor allem aber ohne Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner und „Willkommen bei Carmen Nebel“ sehr gut vorstellen. Nichts gegen Tagesthemen und ZDF-Journal, und auch ein paar knallharte, unabhängige Polit- oder Verbrauchermagazine sind sicher nice to have. Aber da ich sie allesamt nicht wirklich anschaue (wenn ich den ganzen Tag vor dem PC gesessen bin brauche ich abends keine Mattscheibe mehr sondern ein gutes Buch), sind mir €17,03 im Monat für „Zwangs-Pay-TV“ genau 17,03 zu viel. Dass ich damit aber auch noch eine gebührenfinanzierte Konkurrenz zu den Verlagsangeboten im Internet mitbezahle, empfinde ich als Unverschämtheit.

    Deshalb ganz klar: Ich bin für ein möglichst enges Korsett, das die Online-Aktivitäten der Öffentlich Rechtlichen genau regelt – und einschränkt. Anders ausgedrückt: Wir brauchen eine neue und sehr viel restriktivere Definition des „öffentlichen Auftrags“ an unsere gebührenfinanzierten TV-Sender. Wer etwas anderes behauptet, dem sollte man zwei Ohropax-Kugeln geben, damit er seine Ohren vor dem selbstsüchtigen Sirenengesang der Lobbyisten von ARD und ZDF verschließen kann.

  2. Spannendes Thema – als Mitglied der Medienpolitischen Kommission der IHKs in Hessen – habe ich meine Meinung dazu in einem Kommentar zu einem trockenen, stark kommentierten Beitrag von Thomas Mickeleit http://www.mediacoffee.de/thomasmickeleit/item/485#c zusammengefasst:

    Öffentlich-rechtliche online heißt für mich unkontrollierte Überschreitung des Programmauftrags, Verstoß gegen EU-Vorgaben und Verzerrung des Wettbewerbs zu Ungunsten privater Medienanbieter. Bislang gab es eine nette freiwillige Selbstbeschränkung der Internet-Budgets auf geschätzte 50 Millionen Euro, angeblich etwa dem zweifachen des Umsatzes von Spiegel.de und Süddeutsche.de zusammen. Das ist Geschichte, da ARD und ZDF auf digitale Expansion schalten: Ausbau der eigenen Angebote und Zweitverwertung, am liebsten auch über die Portale privater Verleger ( http://www.lesenswert24.de/2008/04/wenn-unsere-gez-gebuehren-privaten-verlagen-helfen/ ). Ich finde es schon bedenklich, dass meine Gebühren in öffentlich-rechtliche Websites mit Online-Shops, Bilderserien, Textredaktion, Börseninformationen, User-Uploads, Mobile-Anwendungen, Ratgeberseiten oder Spieleangebote fließen. Das können Private auch und hat mit Wahrung des Programmauftrags wenig zu tun. Damit öffentlich-rechtliche Sender ihren durch Gebührenzahler finanzierten Wettbewerbsvorteil via IP nicht voll ausspielen (siehe hierzu auch: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,547458,00.html ), muss der Gesetzgeber bei den Verhandlungen zum nächsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag endlich für Klarheit und vor allem Begrenzungen sorgen.

    Eine Änderung des Gebührenmodells vom Gerätebezug hin zum Teilnehmerbezug gehört da natürlich dazu.

    Und wenn man sich nicht zu einer Begrenzung durchringen kann, so sollten – wie in anderen Ländern schon praktiziert – die vom Gebührenzahler finanzierten Programme, die je nach Interessenslage durchaus Qualität liefern, als „Open Source“-Angebote an jeden abgegeben werden, der damit Online-Angebote ergänzen möchte.

    Frühere Blog-Einträge zum Thema:
    http://www.mediacoffee.de/stephanfink/item/390#more
    http://www.mediacoffee.de/stephanfink/item/122

  3. mir geht es sehr gut dabei, dass ich die sites der öffentlich rechtlichen nutzen kann….und ich möchte die ard.de sowie die tagesschau.de nicht misssen….denke mal es gibt keine privaten angebote die eine derartige qualität bieten und es kommt noch hinzu, gerade in krisen sind mir die öffentlichen rechtlichen doch am liebsten…

    was ich nicht verstehe, warum man zulässt, dass das ÖR derart viele subkanäle betreiben darf, alleine von der ard vier oder 5 subkanäle im TV oder im radio b5plus etc… ich bin der meinung, mal man sollte den ÖR sehr wohl online auch gestatten, allerdings mit klaren einschränkungen hinsichtlich dem budget, so dass eine ausuferung wie im tv und radio nicht basiert..
    ich plädiere dafür, dass 70% der ÖR sender wie die dritten und die sparten sender komplett eingespart werden und mit dieser einsparung der gebühren dann ein solides online und mobile angebot betrieben wird. mobil gibt es ja noch nichts sinnvolles der ÖR..

    just my five cent – habe selbst lange bei privat tv gearbeitet.

  4. Wie wäre es denn, wenn sich die ö-r einfach dem Wettbewerb entzögen…also bewusst kein Quotenprogramm mehr machen, sondern ihrem Auftrag einfach wieder gerecht würden. Das wäre bei der kulturellen und journalistischen „Qualität“ der Privaten dringend notwendig und dann würde auch das Schielen der ö-r Funktionäre auf die Quoten nicht mehr notwendig und die privaten würden nur noch mit sich selbst konkurrieren.

    Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir unter einer Generation der ö-r Funktionäre leiden, deren Selbstbewusstsein allein durch die Quoten bestimmt wird, die besser sein müssen als die der Privaten. Eigentlich sollte es dem ö-r Auftrag gemäß aber mehr um Qualität, denn um Quoten gehen – doch dann fühlen sich die ö-r Funktionäre auf den ganzen medienzirzensischen Podiumsdikussionen nur noch als Medienarbeiter zweiter Klasse.

    Gibt es diese Diskussionen in Großbritannien um die BBC eigentlich auch? Und warum ist Public Radio in den USA so erfolgreich? Der private deutsche Einheitstrashbrei in Fernsehen und Hörfunk wird langsam unerträglich und weil die Privaten das merken, versuchen sie einfach die ö-r Konkurrenz schon mal auszuschalten, bevor sie anschließend über sich selbst herfallen. Das gilt übrigens auch für das Internet (und den Teletext) der privaten: Trash und Kommerz, wohin man klickt…wo ist da bitte ein Konkurrenzverhältnis zu den ö-r Internet-Angeboten.

    Oder fürchten die privaten einfach, dass das Qualitätsprogramm im Internet der ö-r einfach attraktiver ist. Wenn das so ist, dann ist das gut so – wir haben uns für das duale System entschieden (es lohnt sich übrigens die Argumente vor allem der CDU/CSU von damals wieder hervorzukramen), um die Vielfalt zu steigern und einen qualitativen Wettbewerb zu fördern. Jetzt führen im Internet die ö-r vor den privaten, auch das muss im Wettbewerb, so wie er im dualen System vorgesehen war, erlaubt sein.

  5. >denke mal es gibt keine privaten angebote die eine derartige qualität bieten

    Lieber doldo

    Da beisst sich die Katze doch genau in den Schwanz. Wie sollen die Verleger gegen die gebührenfinanzierte Marktmacht von ARD und ZDF anstinken. Siehe Stephan Finks Kommentar:

    >Bislang gab es eine nette freiwillige Selbstbeschränkung der Internet-Budgets auf
    >geschätzte 50 Millionen Euro, angeblich etwa dem zweifachen des Umsatzes von
    >Spiegel.de und Süddeutsche.de zusammen.

    Das ist subventionierte Marktverzerrung in Reinkultur, und damit muss Schluß sein. In Deutschland kann sich gar keine richtige Online-Medienkultur entwickeln. Den Verlegern schwimmen aber die Felle im angestammten Printgeschäft davon. Am Ende werden wir keine ordentlichen Tageszeitungen mehr haben UND keine anständigen (bzw. lebensfähigen) privaten Online-Medienangebote. Wollen Sie das wirklich?

  6. na dann will ich mal für einen grosszügigen ausbau der online-aktivitäten der öffentlich-rechtlichen anstalten plädieren; und das nicht nur damit hier ein wenig stimmung in die diskussion kommt.

    ich plädiere aus drei gründen hierfür:

    erstens: die traditionellen aktuellen nachrichten- und informationssysteme sind doch mehr als alles andere von aktuellen online-angeboten bedroht. und das ist gut so, weil das internet mit seiner aktualität, seiner tiefen verlinkung und seiner interaktivität gegenüber tagesthemen und heute-journal phantastische vorteile bietet. nachrichten und information aber sind neben kultur und bildung die klassischen stärken öffentlich-rechtlicher systeme. die journalistische qualität der öffentlich-rechtlichen nachrichten sollte im internet-zeitalter erhalten bleiben.

    mir ist schon klar, dass die alte begründung zur einführung des öffentlich-rechtlichen rundfunks – die knappheit der kanäle – im internet hinfällig geworden ist. aber qualitätsjournalismus ist teuer. und rein werbefinanziert wird er sich im internet nur schwer durchsetzen.

    zweitens: die tageszeitungen haben uns in den vergangenen jahren gezeigt, dass insbesondere lokalinformation unter lokalen monopolen leidet. dass es heute fast nur noch einzeitungskreise gibt, liegt natürlich an der begrenztheit lokaler anzeigeneinnahmen und den relativ hohen entstehungskosten von tageszeitungen (ja gut, auch an dern irren renditen der verlage und den hohen wirtschaftlichen marktzugangsbarrieren). das internet wird dieses problem zum teil relativieren. online werden wir vermutlich einige mehr lokale player erhalten, als wir dies aus der presse gewohnt sind. trotzdem wären öffentlich-rechtliche online-engagments in den ballungsräumen mit orieniterung auf information und qualitätsjournalismus eine hervorragende bereicherung des mediensystems. der private lokalfunk ist doch hier eher abschreckend. freilich sollten regionale öffentlich-rechtliche strukturen die chancen des internet zu mehr partizipation der leser nutzen. regelungen wie wir sie aus den letzten verbliebenen offenenkanälen kennen, könnten in öffentlich-rechtlichen ballungsraum-netzen eine renaissance erleben.

    drittens: gerade die minderheits- und kulturprogramme der öffentlich-rechtlichen sender müssen geschützt und online weierentwickelt werden. deshalb plädiere ich ganz im gegensatz zu doldo für eine stärkung der „nebenkanäle“ und der dritten programme. öffentlich-rechtliche anstalten können und müssen den raum schaffen für fernsehspiele, für hörspiele, für expertimente, für theater, kurz für ein programm, dass sich den vermarktungsmechanismen teilweise entziehen darf.

    was wir in der tat brauchen:
    1. ein system der unabhängigen gebührenfestsetzung, die nicht zwischen vermittlungskanälen (funk, print, online) unterscheidet, sondern qualitative und inhaltliche bedingungen stellt. die unabhängigkeit kann demokratisch legitimiert werden, in dem sowohl die politik, als auch gesellschaftliche institutionen und verbände am entscheidungsprozess beteiligt werden.
    2. eine öffnung verkrusteter strukturen in den öffentlichen anstalten. (wobei so manch privater medienkonzern dies nicht minder nötig hätte, als – sagen wir – der br!)
    3. eine beschränkung im hinblick auf werbeeinnahmen – auch wieder unabhängig vom vermittlungskanal.

  7. Verleger und Privat-TV-Vertreter stehen in ihrer Polemik den ÖR-Verantwortlichen in Nichts nach. Ich bin der Meinung, dass wir zwar eine Debatte über die TV-Gebühren brauchen (abschaffen!!), aber keine über die Internet-Inhalte der öffentlich rechtlichen. Da sich die Zuschauer immer öfter und länger im Internet aufhalten, müssen die öffentlich rechtlichen dort ebenfalls auftreten dürfen, und zwar in einem Ausmaß, dass sie für richtig halten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die privaten Verleger und TV-Macher die Angst vor den Kosten der journalistischen Qualität umtreibt, die bei sich selbst angewendet, erheblich auf die Margen drücken würde. Ich fände die Abschaffung der Gebühren für die öffentlich rechtlichen bei gleichzeitger Aufrechterhaltung der Kontrolle durch die Rundfunkräte besser als sie zu einem kastrierten Internet-Auftritt zu zwingen. Im Gegenzug muss man ihnen aber dann auch das Recht einräumen, uneingeschränkt Werbung zu distribuieren. Komisch eigentlich, dass das nicht diskutiert wird. Ich würde mich so über den Aufschrei der versammelten Verlegerschaft freuen, die nichts anderes im Blick hat, als die möglichst billige Produktion von Content. und ich befürchte, dass sie es noch billiger und schlechter versuchen, wenn die öffentlich rechtlichen die Latte nicht einigermaßen hochlegen würden.

    Übrigens habt ihr schon gehört, dass die bayerische Medienanstalt Videos im Internet den Kontrollmechanismen des „alten“ TV unterwerfen will?

  8. Absolut einverstanden: Gebühren abschaffen und den ÖRs online alles erlauben.

    Nur wollen die leider ihren Kuchen haben und ihn gleichzeitig auch essen (gut, auf Englisch klingt das besser…), nämlich die Schnauze in den Zwangsabgabe-Trrog hängen und den Verlegern, durch diese Kraftnahrung aufgebläht, die Wurst von Online-Brot ziehen.

    Da deine Idee leider politisch nicht durchsetzbar ist, bleibt nur das Mittel der Kastrierung. Dann können die immer noch im Internet-Chor mitsingen, nur mit etwas dünnerer Stimme (oh Mann, was ist heute nur mit meinen Metaphern los…).

  9. Die bisherige Diskussion war zwar im Vergleich zu vielen anderen Seiten überraschend sachlich und deshalb auch hochinteressant (gerade auch durch die Insider-Beiträge), aber ich befürchte leider, das Thema geht weit über Werbe- und Gebührenfinanzierung hinaus. Wie komplex es tatsächlich ist, zeigte sich mal wieder, als Mathias Döpfner wagte, die Entscheidung für eine Beschränkung als „lebensfremde Regulierung“ zu verurteilen – ein Narr zu glauben, die Ö-R würden sich auf sendungsbezogene Inhalte beschränken oder dass irgendjemand in der Lage wäre, das alles auch nur annähernd zu kontrollieren… Döpfnerischer Tacheles, den man nicht damit wegdiskutieren kann, dass man die Contentqualität oder Medienethik bemüht!
    Komplexer ist das Ganze deshalb, weil wir es hier mit Konvergenz zu tun haben – Bereichen, Technologien und Geschäftsmodellen also, die schneller zusammenwachsen als das Medienrecht und die neu entstehenden Geschäftsfelder Schritt damit halten können. Paradoxerweise hat die „Konvergenz“ hat zu einer „Konkurrenz“ von Telekommunikationsrecht, Rundfunkrecht und Internetrecht geführt, zudem vor einem föderalen Hintergrund, der beispielsweise Lösungen wie eine Bundesregulierungsstelle schon rein verfassungsrechtlich ausschließt – ein juristischer Sumpf, in dem selbst Medienrechtler inzwischen vergeblich nach festem Boden suchen (Metaphern sind wohl nicht unsere Sträke, Tim) – das ist der Ausgang zur Pendlerpauschale hingegen eine „sichere Sache“. Und als wäre das nicht genug, kommen auch noch die Wettbewerbshüter der EU mit eigenen Ansichten und Vorgaben. Da bin ich selbst an vielen Stellen erst einmal ganz still und höre sehr lange einfach nur zu…
    Wer eine ungefärbte, aktuelle und fachlich fundierte Sicht der Dinge sucht, sollte in das soeben vom Münchner Kreis herausgegebene Buch nachschlagen (ISBN 978-3-8006-3573-3), zu dem es hier eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse gibt. In dem Buch werden auch Szenarien für die Zukunft der Medienmärkte und Optionen für Veränderungen des Regulierungsrahmens aufgezeigt. Wie die Autoren zu Recht sagen, trägt die Studie damit sowohl den Anforderungen der EU und den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts als auch den aktuellen Markt- und Technologieentwicklungen Rechnung:
    http://www.muenchner-kreis.de/typo3conf/ext/naw_securedl/secure.php?u=0&file=fileadmin/dokumente/Studie_Zusammenfassung.pdf&t=1216926398&hash=bfb4e8f4f641fadb280fb13a230fe8cc
    Was hier auch noch voll mit reinspielt, sind die Entwicklungen im Bereich IP-TV. Wenn man davon ausgehen darf, dass es das durchgetaktete Fernsehen von heute (ob nur ö-r oder nicht) in 10 Jahren kaum noch gibt, dann käme eine Beschränkung der Ö-R im Internet mittelfristig einer Abschaffung des ö-r Fernsehens gleich. Und das will glaube ich auch keiner, wenn ich die Diskussion um Qualitätsjournalismus (s.o.) richtig lese!
    Einer von vielen weiteren Aspekten, die das Ganze Thema VIEL größer machen als das kleine Deutschland mit seinem Staatsvertrag, ist die Entwicklung eines unvorstellbar finanzstarken US-amerikanischen Suchmaschinengiganten zu einem News-Provider. Projiziert doch mal die Diskussionsrunden der letzten Wochen von ö-r Intendanten und Verlegern um 5 Jahre in die Zukunft. Dann sitzt vielleicht ein weiser Verleger-Imperator mit am Tisch und keucht: „Wir haben einen neuen Feind…!“ Nur dass der schon seit 2007 den Medienbereich aufmischt und es nur keiner gemerkt hat.

  10. >Paradoxerweise hat die „Konvergenz“ hat zu einer „Konkurrenz“ von
    >Telekommunikationsrecht, Rundfunkrecht und Internetrecht geführt,

    Kein Paradoxon: Die Konvergenz führt zwangsläufig zu einem knallharten Wettbewerb der drei Bereiche Telekommuniktion, Medien und Internet, ob in rechtlichen oder kommerziellen Dingen. Das könnte ein Kampüf werden auf Leben und Tod, und es wird spannend sein, zu sehen, wer noch aufrecht steht, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat. Bleibt nur einer übrig oder teilen sich alle drei den Kuchen (um mal wieder die Metaphern furchtbar durcheinander zu bringen…)

  11. Pulverdampf ist das korrekte Wort – auch wenn es die Experten nur selten auszusprechen wagen: Wir leben im und mit dem Internet derzeit wie im Wilden Westen! Das Land ist neu und groß, Glücksritter sind viele, Regeln wenige und Sheriffs gibt es kaum, und wenn doch ist ihre Reichweite sehr begrenzt.

    Jeder darf mit und im Web ausprobieren, was ihm gefällt (die privaten und die öffentlich-rechtlichen, z.B.), und die Macht des Sheriffs (in dem Fall der nationalen Gerichte bzw. Rundfunkkommissionen) ist auf die Ortsgrenzen beschränkt (also auf die Bösen, die sich innerhalb der nationalen Gerichtszuständigkeiten ansiedeln).

    Wer eine neue Idee im Internet hat, gut oder böse, probiert sie einfach aus. Justiz und Politiker sind anschließend nur überfordert, da die Mühlen der Justiz von der technologischen Entwicklung einfach überrollt werden (auch ich kann schiefe Bilder ;-). Gleiches gilt auch für Politiker, deren langwierige Entscheidungsfindung und Kompromisssuche durch die rasante technologische Entwicklung in Lichtgeschwindigkeit überholt wird. Das wirft im Übrigen die spannende Frage auf, wie die parlamentarische Demokratie mit diesen schnellen Entwicklungen umgeht… (andererseits, als die ersten Autos auf den Markt kamen, war die Straßenverkehrsordnung auch noch dünner).

    Eine mögliche Vision: In zwanzig, dreißig Jahren, wird sich der Nebel gelichtet haben und es wird zwei Internets geben: ein reguliertes mit seriösen, sicheren und rechtlich geklärten Inhalten und Vertragsverfahren, zugänglich natürlich nur mit Authentifizierung, und ein unsicheres, aber frei zugängliches Untergrund-Internet, in dem der Wilde Westen und die Anarchie weiterlebt. Jeder kann dann selbst entscheiden, ob bzw. wann und für was er welches Internet nutzt.

  12. die vision von markus pflugbeil ist vermutlich ganz nah dran der künftigen wirklichkeit. nur werden es nicht zwei netze sein, die da nebeneinander stehen, sondern zwei pole in einem netz: auf der einen seite „zertifiziert“ qualifizierte und hochwertige inhalte, auf der anderen seite unzertifizierte inhalte, die mal mehr, mal weiger qualifiziert und glaubwürdig sind.
    das problem dabei ist: zertifizierung wird seinen preis kosten. und paid content wird kein weg sein, die produktion dieser inhalte zu finanzieren. es geht also nur über werbefinanzierung und crossmediale vermarktung: verlage werden kostenlos qualifizierte inhalte im internet anbieten und parallel bücher produzieren, und kostenpflichtige veranstaltungen, recherchen und andere services anbieten.
    unter „zertifizierung“ verstehe ich hier natürlich kein zertifikat, das irgendjemand zu vergeben hat, sondern ein glaubwürdigkeitsniveau, das demjenigen sagen wir mal der tagesschau gegenüber der bildzeitung gleichkommt.
    crossmediale vermarktung setzt die existenz starker marken voraus. und der aufbau starker marken im medienverbund ist die einzige chancen heutiger verleger und sender. da dieses marktmodell aber letztlich ein rein privatwirtschaftliches ist und sich qualität am markt nicht automatisch durchsetzt, braucht es öffentlich-rechtliche unterstützung zertifizierter qualitätsinhalte.
    damit ist dann auch klar, dass die zukunft der öffentich-rechtlichen nicht in neuen arzt-serien liegt; im gegenteil: die rechtfertigung der gebühren über einschaltquoten schwächt längerfristig die position der öffentlich-rechtlichen. gebühren muss es für qualitätsinhalte geben, unabhängig von der quote. denn medien – egal ob über welle oder web – dürfen nicht komplett dem markt überlassen werden. medien, das sind die wissens- und meinungsautobahnen der nation. medien, das ist die infrastrukturveranwortung des staates. und „öffentlich-rechtlich“ sind sie, weil sie so staatsfern und gemeinwohlorientiert sein müssen, wie nur irgend möglich.
    alle chancen den kommerziellen, alle sicherheiten den öffentlich-rechtlichen!

  13. Der „Pulverdampf“ trifft es sehr gut, finde ich auch. Hoffentlich lichtet er sich im September etwas: Im Rahmen der IFA (Messegelände Berlin) gibt es vom 1.-3. September auch ein medienpolitisches Forum. Terminhinweis für den 1.9. 1430-1530
    Wie kann die technische mit der medienpolitischen Entwicklung synchronisiert werden? Warum tun wir uns in Europa, speziell hierzulande, so schwer, neue Technologien umzusetzen und einzuführen? Vielleicht fordert die rasante Entwicklung innovativer Technik ein entsprechend innovatives Procedere für die Selektion, die Durchsetzung und die Markteinführung? Haben Länder, in denen die Einführung neuer Medientechnologien vom Staat koordiniert oder gefördert wird, Wettbewerbsvorteile für ihre Content,-, Infrastruktur- und Geräteindustrien? Müsste mehr oder weniger reguliert werden? Oder müsste ganz anders reguliert werden – und durch wen? Müssen staatliche Institutionen oder Gremien immer technologieneutral sein? Wer gehört an den Tisch, wenn interdisziplinär und branchenübergreifend über die Einführung neuer Medien und Medientechnologien in Europa entschieden wird?

    Um die Frage nach einer neuen Medienpolitik jenseits des klassischen Rundfunkrechts mit Blick auf sich radikal verändernde Nutzungsgewohnheiten und Wettbewerbsbedingungen und die aktuellen Positionen der Filmpolitik geht es am Dienstag: u.a. Grußwort von Kulturstaatsminister Bernd Neumann.

    Weitere Infos unter http://www.medienwoche.de/WebObjects/Medienboard.woa/wa/CMSshow/1662628

    — Alex

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