Plattenkiste Nummer 13

Die letzte Plattenkiste erschien hier Anfang November 2024. Es wird also mal wieder Zeit für frisches Alt-Vinyl. Und dieses Mal ist wirklich altes Vinyl dabei. Die jüngste Platte ist von 1987. Uschi Laar spielt darauf Harfe. Und zwar wunderschön. Mikis Theodorakis hat 1981 sechs Lieder, darunter die Ballage von Mauthausen mit Maria Farantouri eingespielt. Noch ein Jahr älter ist die Aufnahme von Lionel Hampton. StandUp von Jethro Tull stammt gar von 1969. Da wollten wir noch „Mehr Demokratie wagen“, ihr erinnert Euch? Und die Platte von „Mama Africa“ die ich für die Kiste No. 13 herausgefischt habe ist sogar 62 Jahre frisch. „The World of Miriam Makeba“ erschien 1963 und sie klingt so frisch, als käme sie direkt aus der Presse. 

Lionel Hampton: Live in Europe

Eine Aufnahme vom 3. Mai 1980 aus dem Stadt-Casino in Basel. Der Meister am Vibraphon. Ein typisches „Alterswerk“ in typischer Besetzung des Lionel Hampton Orchesters mit Frankie Dunlop am Schlagzeug, Paul Moen am Tenorsax und Wallace Davenport an der Trompete. Lionel war Anfang 70, eine Legende und schrieb eigens für diesen Auftritt einen neuen Song, nämlich „Spring in Switzerland“, eine große Verbeugung vor seinem Publikum. Zum Programm gehörten aber auch alte aus seinem Repertoire, wie „Dynamo“ von 1947 oder der Sonny Rollins-Hit „Oleo“ von 1954. Alles in allem eine großartige Platte mit bezaubernden flirrenden Vibraphon-Läufen. Unbedingt hörenswert.

Uschi Laar: Ainka

Uschi Laar spielt seit mehr als 40 Jahren alle möglichen Harfen und hat sich wie kaum jemand um dieses Instrument verdient gemacht. Sie hat auch eine Webseite: https://www.uschi-laar.de/. Sie hat mehrere Bücher über dieses wunderbare Instrument geschrieben, das süddeutsche Internationale Harfenfestival und das Institut für Harfe und Musikheilkunde gegründet, sie komponiert fleissig und vor allem aber spielt sie einfach wundervoll.
Ich habe sie in den 80iger Jahren erstmals gehört. Vor noch viel längerer Zeit hat sie mal bei meiner Frau eine Ausbildung absolviert. Sie kommt aus Oberbayern. Dies ist eine ihrer frühen Platten. Aber auch sie erschien schon 1987. Und schon auf dieser Platte zeigt sie virtuos, was man mit einer Harfe alles machen kann. Sie spielt klassisch und experimentell, folkig und modern. Zurückhaltend begleitet von Andres Fonseca und Gerd Nizzl am Schlagwerk und Johannes Walter mit der Flöte. Unbedingt hörenswert.

Miriam Makeba: The World of Miriam Makeba

Also gut, ich gebe es zu: Ich bin verliebt in diese Frau. Miriam Makeba war eine großartige Sängerin. Sie war eine wunderbare Kämpferin gegen die Apartheit und für die Menschenrechte. Sie war die Tochter einer Swasi und eines Xhosa, sie war gelegentlich verheiratet mit einem Inder und einem Belgier. Sie spielte mit Hugh Masekela, Harry Belafonte, James Brown, B. B. King, Dizzy Gillespie und Paul Simon. Sie spielte für John F. Kennedys, Muhammad Ali, Nelson Mandela und … äh … King Kong. Ja und natürlich immer wieder für mich.
Sie war so vielfältig, wie der Kontinent, der sie uns geschenkt hat.
„The World of Miriam Makeba“ erschien 1963 und auf dieser Platte eröffnet sich die ganze Bandbreite ihres Könnens, eine phantastische Mischung aus Soul, Jazz und Afro-Pop, eben Weltmusik vom Feinsten. „Mama Africa“ singt hier Lieder auf Englisch, aber auch in „ihrer“ Sprache, in Xhosa.
In ihrem Song „Where can I go?“ berichtet sie von ihrer Exilerfahrung. Auf Deutsch würde der Text in etwa so lauten:
„In den Städten von hundert fremden Ländern
Kein Wort des Mitleids oder eine helfende Hand
Ich sehe, wie sie an mir vorbeigehen
an einen Ort namens Zuhause
Sie alle haben einen Ort, wo sie hingehören
Aber ich habe nur einen Traum.
Sag mir, wohin soll ich gehen?
Es gibt keinen Ort für mich.
Wohin soll ich gehen?
Jede Tür ist mir verschlossen
Links, rechts.
Es ist in jedem Land dasselbe
Es gibt nirgendwo ein Ziel.
Ich bin es, der es kennen sollte.
Kannst du das verstehen?
Ich weiß jetzt, wohin ich gehen muss.
Dahin, wo meine Leute stolz auf mich warten.
Lass mich gehen, lass mich gehen
in dieses gelobte Land.
Kein links, kein rechts mehr.
Heb deinen Kopf und sieh das Licht.
Ich bin stolz, siehst du das nicht?
Denn endlich bin ich frei
Und irre nicht länger umher.
Kannst du das verstehen?“
Musikhistorisch war diese Platte einerseits der Durchbruch für Miriam Makeba. Sie machte sie weltweit berühmt. Aber es war wohl auch die erste Platte, die überhaupt afrikanische Musik wirklich einem breiten Publikum erschloss. Diese Platte war unendlich wichtig für Generationen afrikanischer Musik – und afrikanischer Musiker*innen.

Mikis Theodorakis mit Maria Farandouri: The Ballad of Mauthausen. Six Songs

1981 erschien diese berührende Platte mit vier Liedern über Mauthausen. In Griechenland war das ein Jahr großer politischer Veränderungen. Die Sozialdemokraten unter Andreas Papandreou gewannen die Wahlen mit absoluter Mehrheit und die Kommunisten, deren Anhänger Theodorakis war, zogen als dritte Kraft ins Parlament ein. Auch Theodorakis wurde Abgeordneter der KKE. Das Ende der Militärdiktatur in Athen und damit der Emigration von Mikis Theodorakis lag gerade einmal sieben Jahre zurück.
„The Ballad of Mauthausen“ ist eine Kantate aus vier Liedern, getextet 1963 von Iakovos Kambanellis, einem Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen. Theodorakis hat sie 1965 vertont und ein Jahr später uraufgeführt. Schon damals hatte Maria Farantouri den Gesangs-Part übernommen.
Schon kurz nach der Uraufführung ergriff das Militär in Griechenland die Macht. Theodorakis wurde verhaftet, gefoltert und konnte auf internationalen Druck hin das Land verlassen.
Sechs Lieder ergänzen auf der Platte die Mauthausen-Kantate. Es handelt sich um „Kourastika Na Se Krato“, „O Iskios Epesse“, „Pira Tous Thromous T’Ouranou“, „Stou Kosmou Tin Aniforya“, „To Ekremes“ und „To Ekremes“.
Ich besitze eine recht umfangreiche Sammlung an Platten von Theodorakis. Natürlich das Hauptwerk, den Canto General und auch die berühmte Filmmusik zu „Alexis Sorbas“. Besonders liebe ich seine Lieder, die heute fast schon zum Volksliedgut Griechenlands zählen, etwa die „18 Lieder der bitteren Heimat“. Mehr als 1.000 Lieder hat er geschrieben. Aber es gibt auch Symphonien, Kammermusik und Opern aus seiner Feder. Die hört man freilich eher selten bei Souvlaki und Stifado beim „Griechen an der Ecke“ …

Jethro Tull: Stand Up

Stand Up von Jethro Tull sollte man wörtlich nehmen. Mitten im Klapp-Cover hat das Original von 1969 nämlich ein hübsches Pop-Up mit den Köpfen der Bandmitglieder. Sie springen einen förmlich an beim Öffnen des Klappcovers. Pop-Up-Bilderbücher hab ich als Kind schon geliebt. In der Schule hab ich mal ein reizendes Pop-Up selbst gebaut. Im Erdkunde-Unterricht musste ich als Strafarbeit den Stadtplan von Manhatten abzeichnen. Ich hab das im Stil eines Falk-Plans gemacht, akribisch genau. Und wenn man die letzte Faltung öffnete erigierte die Freiheitsstatue aus dem Plan. Ich vermute die Erdkundelehrerin war durchaus entzückt. Vielleicht.
Aber ich schweife ab … Das Album von J.T. ist in mehrfacher Hinsicht besonders: Es kam als einziges auf Platz 1 der Charts in U.K. und Ian Anderson steht zwar nur auf einem Bein, spielt aber sowohl die erste, als auch die zweite Querflöte. 😉 Und besonders hübsch spielt er sie in meinem Lieblings-Song, dem Bourée von einem gewissen Johann Sebastian Bach. Ich habe in jungen Jahren dieses Stück nicht nur mit einem guten Freund gecovert, sondern gleich noch in einen Fünfer- und sogar in einen Siebener Takt umgeschrieben. Klang recht abenteuerlich … Dabei haben wir auch die tulligtrullige Zwischenmelodie verhackstückt. Nach „This is a brick“ mein Lieblings-Album von Jethro Tull. Schon wegen dem Stand-Up.

Illustrationen © Michael Kausch

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Aus der Plattenkiste

Ähnlich wie ich in der Reihe „Literarisches Quintett“ in loser Folge in Kurzbesprechungen Bücher aus meiner Bibliothek vorstelle will ich ab heute ab und an in der „Plattenkiste“ einige Schallplatten und wenn es nicht anders geht auch CDs oder gar Platten, die ich als HD-Files besitze, vorstellen. Sie ergänzen die ausführlichen Besprechungen, die es nach wie vor geben soll. Die Kurzvorstellungen, die ich immer in handliche 5er-Pakete zusammenfasse, sind Beifang aus unterschiedlichen Postings und Sammelbesprechungen. Los geht es mit Novalis „Vielleicht bist du ein Clown“, Jane Birkin und Serge Gainsbourg: „Je t’aime moi non plus“, Johann Georg Albrechtsberger: „Zwei Maultrommelkonzerte“, Arlo Guthrie: „City of New Orleans“ und Charlie Chaplin: „Oh! that Cello“.

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