Ich bin eigentlich kein typischer taz-Leser, aber manchmal verirre ich mich mal auf die Website und genieße den rotzfrechen Stil und die eklektische Themenauswahl der Berliner Kollegen. So auch heute, wo mich die Headline „Bald in der ganzen Stadt: Leinenzwang“ unwiderstehlich anzog. Ich las dort einen pointiert geschriebenen und außerordentlich respektlosen Beitrag über die ausufernde Verbotswut Berliner Politiker, der plötzlich eine unerwartete Wende nahm und in eine schwarzhumorige Tirade gegen Hundebesitzer umschwenkte („…versuchen Sie mal, mit Leuten zu reden, die ihren kalbsgroßen Köter „Prinzessin“ nennen) und in der Forderung gipfelte: „Macht aus dem Leinenzwang ein landesweites Hundeverbot, bitte.“
Alles recht unterhaltsam und lustig, wenn auch vermutlich nicht ganz so ernst gemeint, wie es klingt. Außerdem war der Beitrag angenehm kurz – gerade mal drei Absätze lang – und flüssig geschrieben. Hut ab, lieber Kollegin Marlene Gürgen!
Und am Ende des Stücks stieß ich auf einen kleinen Text mit der Überschrift „taz zahl ich“, der mich stutzig machte. „Unser Artikel hat Ihnen gefallen?“, hieß es da, und weiter: „ Sie können dafür bezahlen!“ Darunter ein Pulldown-Menü, mittel dessen ich die Höhe meiner beabsichtigten Spende festlegen konnte, von €0,30 bis €5,00.
Es ist im Laufe der letzten 20 Jahre viel versucht worden, um das Geschäftsmodell der Tageszeitung in die Internet-Ära hinüberzuretten, vom Verschenken von Online-Inhalten über Werbefinanzierung bis zum Online-Abo. Keines hat so richtig funktioniert, weshalb Experten wie Prof. Wolfgang Henseler aus Offenbach inzwischen den Zeitpunkt errechnen zu können glauben, an dem in Deutschland die letzte Zeitungsausgabe erscheint (irgendwann um 2035).
Aber zumindest für mich war die Masche mit der freiwilligen Spende neu. Und es hat mir auf Anhieb eingeleuchtet. Straßenmusiker stellen einen Hut hin, und wenn sie gut sind, ist er am Abend voll und der Künstler hat ein Auskommen. Mein alter Freund Stephan hat während mit einem Kommilitonen zusammen in den Fußgängerzonen Klavier gespielt und sich so das komplette Musikstudium finanziert. Und Billy Joel beschreibt in „Piano Man“ unvergesslich, wie die Gäste in der rauchigen Spelunke Geldscheine in das Einmachglas auf dem Klavierdeckel schieben: „So they sit at the bar and put bread in my jar and ask, ‚Man, what are you doing here?‘”
Warum also sollte ein Journalist nicht um milde Gaben bitten dürfen? Erst recht freie Journalisten, deren Arbeit ja der heutigen Verlegergeneration ja offenbar nichts ,mehr wert ist. Jedenfalls sind sie allenfalls bereit, ihnen ein Nasenwasser, wenn überhaupt, für ihre Artikel zu bezahlen. Ich habe in den goldenen Zeiten des deutschen Qualitätsjournalismus gut von den Früchten meiner (Schreib-) Arbeit leben können. Meine freiberuflichen Kollegen und ich würden heute verhungern, wenn wir nicht irgendwelche anderen Einnahmequellen gefunden hätten: PR-Schreibe, Beratung, Kellnern, Bücher schreiben, Vorträge halten – was auch immer.
Die Idee mit dem Spenden-Knopf auf der Webseite hat mir jedenfalls so gut gefallen, dass ich spontan 5 Euro für das Vergnügen bezahlt habe, diesen Artikel lesen und darüber hier in einem Blogbeitrag sinnieren zu dürfen. Vielleicht sollten wie hier bei czyslansky.net auch so einen Knopf einrichten. Blogger schließlich sollen ja auch nicht wie Hunde leben…