Rechner im Internet haben interne Adressen, sogenannte IP-Adressen (IP: Internet Protocol). Namen spielen auf den unteren Schichten des Internet keine Rolle. Man kann anstelle von www.space.net auch 194.97.129.8 eingeben. Funktioniert genauso, zumindest erreicht man denselben Rechner. Aber www.space.net ist nun mal leichter zu merken.
Wie alles begann…
Und was tun diese Punkte da? Zwischen www und space und net? Das sind die Trenner, mit denen die Namensbestandteile separiert werden. Früher, also vor rund einem Vierteljahrhundert, verwendete man noch einfach nur weltweit eindeutige Namen, die in einer Datei eingetragen waren namens hosts.txt. Da wäre nur irgendwo in der Datei gestanden
spacenet 194.97.129.8
Diese Datei wurde auf jeden Rechner im Internet kopiert. Damals waren das noch nicht so viele. Dennoch, das System drohte, irgendwann aus allen Nähten zu platzen. Jeder neue Internetrechner mußte ja in diese Datei eingetragen werden, woraufhin diese wieder weltweit(!) verteilt werden mußte. Eine zehnprozentige Zunahme aller Recher im Internet bedeutete damit ein Anwachsen des Datenverkehrs nicht nur um diese zehn Prozent der Zeilen in der Datei. Die Anzahl der Empfänger der Datei stieg ja auch um zehn Prozent. Das macht zusammen also 21 Prozent Zunahme an Datentraffic. So ein Wachstum nennt man quadratisch und es zeichnet sich dadurch aus, dass es irgendwann alle Grenze sprengt und nicht mehr funktioniert.
Neustrukturierung
Anfang der achtziger Jahre war das schon klar. Im November 1983 wurde ein erster RFC (Request for Comment, so heissen die Dokumente, mit denen im Internet Normen entstehen) veröffentlicht. Er trug die Nummer 883 und war von Dr. Paul Mockapetris. Im Prinzip kam da schon alles vor, aber erst ein paar Jahre später, mit RFC 1034 entstand das DNS, wie wir es heute kennen, das Domain Name System. Namen liest man von rechts nach links. www.space.net heißt: In der Top-Level-Domain (TLD) .net gibt es etwas namens „space“ und das betreibt etwas namens „www“. Und nun mußte man nicht mehr eine Riesendatei mit allen Rechnern verteilen, sondern nur noch eine erheblich kürzere, die sagte, wer ist für .net zuständig. Und wer für .com, und wer für .org etc. Den Rest erfährt man heutzutage Schritt für Schritt. Zu Beginn gab es überschaubar wenig Top-Level-Domains:
com . . . kommerzielle Nutzung („company“ oder „commercial“)
edu . . . Universitäten („educational“)
gov . . . (US-)Regierungsinstitutionen („governmental“)
int . . . International
mil . . . Militär
net . . . Infrastruktur („network“, Provider)
org . . . Sonstige, nichtkommerzielle Institutionen („organizations“)
Die Domain .arpa habe ich dabei unterschlagen, sie wird für interne Zwecke verwendet. Damals war, man merkt es, die Welt noch in Ordnung. Pro Organisation gab es maximal eine Second Level Domain. Diese sollte möglichst kurz und einprägsam sein. Für die Differenzierung gab es ja die Ebene drei und drüber, also den third level.
Geld und Gier
Irgendwann geriet die Regel in Vergessenheit. Das lag schlicht an der Gier der Menschen: Domains brachten Geld und ein neuer Berufszweig entstand, der domain grabber, also der, der sich Domains grabscht und sie dann versucht, teurer weiterzuverkaufen. Das funktionierte in den 90ern noch gut, denn manche Firmen erkannten erst sehr spät die Wichtigkeit, den eigenen Namen zu schützen.
Namen, Namen, Namen
Parallel dazu waren in den 90ern die ccTLDs eingeführt worden, die Country Code Top Level Domains. Also .de, .at, .fr etc. Zu jedem Staat der Erde gibt es eine zweibuchstabige Abkürzung. Welche das ist, ist international geregelt, im ISO3166-Standard. Manchmal entstehen neue Staaten, alte teilen sich etc., also wird diese Liste immer mal wieder überarbeitet. So ist .yu (Jugoslawien) nun endgültig zerfallen (Löschung von .yu: noch dieses Jahr), und zwar in .rs (Serbien) und .me (Montenegro). Damit hat Montenegro eine gute Chance auf eine Einnahmequelle. Manche exotische Staaten wie Togo (.to), Tuvalu (.tv), Mikronesien (.fm) oder Antigua (.ag) verkaufen Domains an Menschen, die nicht einmal wissen, für welchen Staat das Kürzel steht. Das geht so weit, dass ein deutsches Gericht einer Firma untersagt hat, eine Antigua-Domain zu führen, weil sie keine Aktiengesellschaft (AG) sei.
Montenegro
Und nun also Montenegro. Kleiner Staat, armer Staat, klar. Aber andererseits ist es schon pervers, dass solche Länder ihren eigenen Namen einfach vermarkten. Sie tun es ja nicht mal selbst. Hier zum Beispiel wurde alles an eine Firma namens Afilias Ltd. übertragen, mit Sitz in Dublin, und begehrte Namen werden versteigert. Marry.me, kiss.me und date.me hat ja auch nichts speziell mit Montenegro zu tun. Aber vielleicht gibt es irgendeine unglückliche Firma in Montenegro, die READ heißt und bei dieser ganzen Versteigerei keine Chance auf read.me hat. Oder lookat. Oder mobile.me – das scheitert dann wohl an Apple. Nach Angaben der .me-Registry hat allein date.me bereits 70.000 Euro eingebracht. Eine List aller premium domain names kann man sich dort auch ansehen. Wie man sieht, Domains sind eine Gelddruckmaschine.
Bayern
Aber diese Gelddruckmaschine ist ins Stocken geraten: Es gibt inzwischen so viele Domains, dass der klassische Namensraum quasi abgegrast ist. 50 Millionen .com-Domains? Längst überschritten. Selbst in Deutschland gibt es über 12 Millionen .de-Domains. Jeder siebente Deutsche hat so eine Domain, durchschnittlich. Würde sich Bayern ein bißchen anstrengen und unabhängig werden vom Bund, könnte man hier wieder von vorne anfangen. .by ist leider Weißrußland, weg ist weg, aber vielleicht bekommen wir dann .bv? Das vermarkten wir in Holland, dort heißt die GmbH BV. Noch in den 50ern konnte man Aralwerbung lesen, die sagte: „Sei schlau, tank Aral BV“. So schauerlich dieser Reim ist, so schauerlich auch die Vorstellung, dass es sicher Leute gäbe, die diese Millionen aus Holland scheffeln würden. Aber muß man jedesmal einen Staat zerstückeln (.yu) oder umnennen (.su (Sowjet-Union) wurde zu .ru (Russland)), wenn man eine neue TLD haben will? Und dann ist sie vielleicht unverkäuflich? So wie .sa oder .ss…
Neue Gelddruckmaschinen müssen her
Die Situation ist nicht überraschend. Schon seit über zehn Jahren wird daher über die Einführung weiterer Topleveldomains gefeilscht. Mit .biz und .info ging es los. Derzeit wird sogar über .berlin nachgedacht. Die Denic eG, zuständig für die Zone .de, sieht der Aufweichung des Namensraums und der damit verbunden Entwertung von .de untätig zu, was aber vermutlich an den internen Strukturen der Denic liegt. Am 13. Februar 2009 fand in Dresden die Veranstaltung „Domain pulse 2009“ statt, ausgerichtet von der Denic. Dort wurde berichtet, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) bereite die Einführung neuer TLDs vor, die dieses Jahr erfolgen soll. Die ICANN rechne mit rund 500 neuen TLDs. Markenrechtlich ist das ein GAU. Jedes Unternehmen, das heute bereits zig Domains in allen möglichen TLDs halten muß, muß seine Marke nun noch viel häufiger besetzen oder, noch schlimmer, verteidigen gegen einen Grabber, der in irgendeinem exotischen Land sitzt und sich auf Spielregeln einer Registry beruft, die vielleicht in einem ebenso exotischen Land residiert. Da klingt es richtig fahrlässig, wenn ein Justitiar der DENIC eG sagt, er plädiere „für Gelassenheit. Wichtig sind die etablierten TLDs. Wenn die Marke unter einer unbekannten TLD registriert wird, ist das nicht so problematisch.“ Leichtfertige Äußerungen dieser Art können teuer werden. Wer weiß schon, welche TLD unbekannt bleibt und welche nicht?
Und so schließt sich der Kreis
Nach Jahren der Stabilität gibt es also wieder ein neues hosts.txt. Es heißt nicht mehr so, es heißt Root-Zone, da sind alle Toplevel-Nameserver der Welt erfaßt. Aber es wird ja nicht bei 500 neuen Domains bleiben. Irgendwann hat doch jede Marke das Bedürfnis, völlig übergreifend sichtbar zu sein. Natürlich wird es .siemens geben. Und .audi. Aber was, wenn .audi einen Rechner mercedes.audi nennt? Oder bmw.audi? Da ist Ärger vorprogrammiert. Aber es gibt Vorteile: Volkswagen wird endlich Ruhe geben, die ja unbedingt vw.de haben wollten, obwohl sie sich selbst nicht so nennen. Aber die TLD .vw, das wäre doch noch viel besser. Und wenn es .berlin gibt, muß es unbedingt .krailling geben. .münchen hat sich ins Abseits gespielt, wegen des Umlauts, das ist noch zu exotisch und würde noch zu beliebig vielen Problemen führen. .munich ist blöd. .muc wäre hingegen cool. Krailling hat auch einen eigenen Vorort, Pentenried. Irgendwann werden die nicht mehr als pentenried.krailling auftreten wollen, dann gibt es halt auch noch .pentenried. Und wenn es so weitergeht, wird irgendwann die Rootzone so groß, daß man sich ein hierarchisches Datenmodell ausdenken muß: So was wie ein DNS……
2 Antworten
Vielen Dank, für diesen Rückblick, Überblick und Ausblick …
Ich hätte zu der Toplevel-Ordnung noch beizusteuern, dass ich mich mehr für eine qualitative Einordnung der Internetangebote freuen würde und zwar mit Topleveldomains wie:
.shit
.spam
.cool
.langweilig
Das würde das Zurechtfinden im immer weiter wachsenden Netz vereinfachen.
*lach* – Du nimmst eine Domain für die Dinge, die Dich interessieren und drei zum Abqualifizieren?
Es reicht doch
.klar
.wennzeitist
.vergisses
Nach einiger Zeit linkt man dann noch .wennzeitist mit .vergisses, das nennt man „Ankommen in der Realität“.
:-), svb.