Schluss mit der Scheiße

Sturm im Sommerloch.

Irgendwann ist es dann auch mal gut. Der Sommer ist – zumindest kalendarisch – da. Damit haben wir auch viel beschworene und medial gefürchtete Sommerloch, aber das ist noch lange kein Grund, selbiges tagtäglich mit Scheiße zu füllen. Ein harsches Wort, aber genau das muss auch mal gesagt werden.

Ob Pro7, ob Vodafone, ob McDonald’s oder H&M – Shitstorms sind dermaßen in Mode gekommen, dass es schon wieder nervt. Da entzündet ein Hamburger Schüler mit einer Reihe unflätiger Kommentare auf Facebook eine Kampagne gegen „Galileo“ und nötigt dem Sender eine Erwiderung auf der eigenen FB-Seite ab, die dort  zu intensiven Diskussionen geführt hat. Nicht witzig jedenfalls fand das der Unterföhringer  Sender und konterte: „Wir ärgern uns, wenn wir große oder kleine oder dumme Fehler machen. Und wir ärgern uns, wenn Menschen wie M.M., die in ihrer Chronik Sätze wie „Hitler, kann das sein?“ auf die Frage „Beste Erfindung aller Zeiten?“ schreiben.“

Eine Tür weiter donnert Anni, eine wutentbrannte Vodafone-Kundin über inkompetente Hotline-Beratung, falsche Abrechnungen usw. und hat in kürzester Zeit nicht nur Tausende von „Like It“ generiert sondern auch hunderte von Kommentaren. Tenor immer gleichlautend: Unzufriedenheit der Telefonanbieterkunden, Verärgerung, Wut. Und das ist auch das Stichwort.

Wut. Der Wutbürger  erobert das soziale Netzwerk Facebook und kübelt sich aus:  Zum Beispiel auch über die Preiserhöhung des Cheeseburgers. Kostete der käsige Klops bei Mc Donald’s bisher 1,10 €, verlangt der Bruzzler mit Geschäftssitz in München  jetzt 1,39 € und schon gewittert’s im Netz.

Shitstormer toben sich aus. Czslansky hat das  immer wieder zum Thema gemacht: Sklavenschuhe von Adidas, Mädchen-Ü-Eier, Science is a girl’s thing sind nur die jüngsten Beispiele. Czslansky Michael Kausch hat ausführlich über sein Shitstorm-Planspiel  geschrieben.

Ob die aktuellen Stürmer das zu Recht oder zu Unrecht tun, hängt ganz davon ab, wie man selbst die Sache sieht.Vielleicht geht’s aber gar nicht nur darum. Vielleicht tun sie es auch, um eine Prophezeiung aus dem Jahr 1968 wahr werden zu lassen: “In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes.” Das sagte einst Andy Warhol und damit hat er Recht. Für kurze Zeit gelangen solche Netz-Hasardeure in einen zweifelhaften wie auch flüchtigen Ruhm. Denn sie waren es, die zum Generalangriff (genannt Shirtstorm) gegen ein Unternehmen geblasen haben. David gegen Goliath. Nur, dass die Waffe keine Steinschleuder ist, sondern eben Scheiße. Die fliegt zwar nicht so wei und schlät nicht so hart auf, streut aber breiter. Und es bleibt – nicht nur wörtlich gesprochen – immer ein Fleck auf der Weste und ein unangenehmer Duft bei denen, die es getroffen hat.
Das hat einmal funktioniert, auch ein zweites Mal und ein drittes.Und es wird wieder funktionieren. Denn der Einzelne hat plötzlich nicht nur das Gefühl, eine Stimme zu haben, die gehört wird. Nach all den vergeblichen Anrufen, den Stunden in der Warteschleife, den unbeantworteten Mails – endlich ein Platz, an dem man seinem Ärger Luft machen kann. Endlich hört mich wer. Das verleiht vermeintlich Macht. Wie gesagt: David gegen Goliath. Und nicht nur das: eben auch Ruhm. Also los. Für kurze Zeit ist Max Manet (wenn er denn wirklich so heißt) ein Medienereignis weil er Galileo angekackt hat. Mehr Erwähnenswertes, geschweige denn Substantielles hat er – vertraut man der Google-Suche – für seine eigene Berühmtheit noch nicht geleistet.
Der unmittelbare Kontakt zum Kunden per Shitstorm trifft viele Firmen, die sich erst langsam ins soziale Netz vorgewagt haben, wie ein Keulenschlag von hinten: Völlig unvorbereitet. Plötzlich ist es nicht mehr der Händler am Ort oder der Hotline-Mitarbeiter irgendwo in Indien, der als Prellbock für Wutausbrüche herhalten muss. Plötzlich muss die unternehmenseigene Kommunikation Krisenmanagement bewerkstelligen.
Aber muss sie das wirklich und in jedem Fall? Kommt es nach massenweisen Frustäußerungen zu Handy-Vertragswechsel? Schalten die Fernsehzuschauer von „Galileo“ auf andere Formate? Gehen sie jetzt zu einem anderen Burger-Brater?
Oder ist ein Shitstorm nicht schneller verhallt als ein Furz im Wasserglas – um im Bild zu bleiben? Einmal getobt, einmal geliked, einmal geklatscht und schon wird die nächste Sau durchs Dorf gejagt.

Und überhaupt: Wer sagt denn, ob diese Shitstorms nicht längst manipuliert sind, wie in „Werben & Verkaufen“ dargestellt wurde. Wenn es technisch möglich ist und ganz offen angeboten wird, echte Fans für Facebook-Seiten zu kaufen, warum nicht auch für Chronikeinträge eines Shitstorms? Und welchen Einfluss hätte das dann in der qualitativen Beurteilung der Empörungs-Like-It-Klicker? Wann fangen Unternehmen an, ihrer Konkurrenz mal ordentlich eine reinzuwürgen und befeuern irgendwelche Shitstorms? Aber geht es denn eigentlich den Initiatoren noch darum, Unternehmen konstruktiv Feedback zu geben und Kritik zu üben? Fragen, die sich auch Blogger Kai Thrun stellt , der die Shitstorms analysiert hat und in seinem Blog zu dem Ergebnis kommt: Die kleine Analyse zeigt, dass es einfach zu viele Parallelitäten gibt, dass es sich hier um wirkliche Kundenanstürme der Entrüstung handelt.

Also Fake bzw. Manipulation?

Und jetzt? Manipulierte Sheiße-Schleudern sind noch ekliger und überflüssiger als die täglichen Shitstorm-Meldungen im Netz und der gedruckten Presse.

Es wird Zeit, dass es Herbst wird.

2 Antworten

  1. Vielen Dank für die überfällige und zutreffende Betrachtung dieses leidigen Themas!

    Wie der Engländer zu sagen pflegt: „When the shit hits the fan…“, „Wenn die Scheisse auf den Ventilator trifft…“, dann spritzt sie in alle Richtungen und es ist fast unmöglich ihr zu entgehen. Treffendes Bild.

    Ein schöner Vertipper hat sich eingeschlichen: Einmal schreibst Du shiRtstorm. Entbehrt nicht einer gewissen Relevanz und Süffisanz, sind doch viele dieser Stürme gleichsam laue Verdaungswinde, die allenfalls das Leibchen ein wenig zum Flattern bringen.

  2. Die Gefahr, die ich sehe, ist dass die Betroffenen irgendwann einfach mal die Ohren auf Durchzug stellen. Und wenn die Scheiße auf den Ventilator trifft, verteilt es ja seinen Segen gleichmäßig an alle. Irgendwann laufen alle mit einem brauen Hemd herum, da macht es ja auch keinen Unterschied mehr.

    Und nein: das mit dem braunen Hemd ist nicht politisch gemeint 😉

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