So geht Wissenschaftsjournalismus–die Schreibwerkstatt von Fraunhofer im “forschungs-blog”

forschungsblog

Die Zeitschrift “Farbe und Lack” veröffentlichte im Jahr 2008 einen imposanten Beitrag zum Thema “Kleben unter Wasser”. Ein Auszug:

“In der Natur ist Kleben die dominierende Fügetechnik. Die Bioadhäsion von Molekülen bildet die Basis bei der Entstehung aller Lebewesen. Es führt weiter bis zu makroskopischen Klebstoffen tierischen Ursprungs, die in ihrer Funktion und Form unseren Klebverbindungen ähneln. Die Medizintechnik will solche Verbindungen nachahmen.”

Dass man so einen Beitrag auch wesentlich populärer und lesefreundlicher gestalten kann zeigt diese Alternative:

“Wenn man eine beliebige Person auf der Straße fragt, was im Leben wirklich wichtig ist, dann bekommt man genau die Antworten, die in jeder Frauenzeitschrift nachlesbar sind. Falls es Frauenzeitschriften noch gibt. Bei den gängigen, nichtrepräsentativen, aber vermutlich zahlreichen Umfragen zu diesem Thema steht in keinem einzigen Fall unter den Top-20-Antworten: “Mir ist Unterwasserkleben wirklich wichtig.” Man lehnt sich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass dieser Punkt in Strassenumfragen nicht einmal zu den Top 50 der meistgegebenen Antworten gehört. Allerdings hängt das ausschließlich mit dem Ort der Umfrage zusammen. … Aus dem Bauch heraus geschätzt 10 von 10 Befragten halten Unterwasserkleben für sehr wichtig, wenn man sie im Vorraum eines Operationssaals fragt, in dem Milzrisse operiert werden. Denn Milzrisse sind einigermaßen schwer zu nähen …”

Und dies ist nur der Einstieg in ein wirklich extrem kurzweiliges Lesevergnügen, das uns allen die Fraunhofer Gesellschaft auf ihrem neuen forschungs-blog bereitet.

Fraunhofer ist ja berühmt dafür, sich mit besonders komplizierten Dingen zu befassen. Wo also könnte das Interesse an populärer und verständlicher Schreibe über schwierige wissenschaftliche und technische Dinge größer sein als ebendort? Mit dem forschungs-blog zeigen uns Kollegen seit ein paar Tagen im “Dual Blogging” wo die Messlatte sitzt für Technologie-PR und –Redaktion.

“Dual Blogging” ist nun nicht das Bloggen über alte Schallplattenspieler, sondern das “Parallelschreiben” eines Themas oder besser: das Gegenüberstellen eines wissenschaftlich korrekten Textes in der einen Spalte mit einem lesbaren Text in einer zweiten Spalte. Querlesen mal anders; und jedenfalls ein Heiden-Spaß und lehrreich für alle, die sich mit Technik-Redaktion und –PR befassen.

Als “Vorbild-Blogger” konnten die Fraunhofers drei wirkliche Edelfedern gewinnen: Klaus Rischka, Ingo Grunwald und Sascha Lobo. Unser obiges Beispiel stammt übrigens von Klaus Rischka.

Ein dickes Lob und fettes “Gefällt mir” für eine wunderbare Idee und einen lesenswerten Blog!

Eine Antwort

  1. Hallo Herr Kausch,

    klasse, dass Ihnen der Ansatz des neuen Blogs gefällt. Unsere Autorennennung ist offensichtlich nicht so gut verständlich. Die Wissenschaftstexte stammen von Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft und sind i.d.R. nur über Spezial-Zeitschriften u.ä. zugänglich. Man muss also sehr gut wissen, wo man überhaupt suchen könnte, um einen Eindruck zu Forschungsfragen und -ergebnissen zu bekommen. Schnell ‚mal einen wissenschaftlich fundierten Blick in ganz unterschiedliche Forschungsgebiete werfen zu können ist jetzt leichter. Diese Wissenschaftstexte stehen neben einer von Sacha Lobo geschriebenen Version, die Aspekte des Themas alltagsnah aufgreift.

    Dual-Blogging bietet also die Chance, tief in ein Thema einzusteigen und nachvollziehen zu können, was Forschung in der Praxis bedeutet und die gleich daneben stehende Variante im leicht lesbaren Stil stellt Alltagsbezüge her. Auch in dieser Variante von Sascha Lobo steckt viel Sachkenntnis.

    Jetzt sind wir gespannt, ob es vielen so geht wie diesem Leser:
    „Danke für dieses Dual-Blogging!
    Gäbe es nur einen Teil davon hätte ich wahrscheinlich wegen mangelndem Praxisbezug auf der linken Seite und viel zu abschweifenden Inhalt auf der rechten Seite nach dem ersten Absatz aufgehört zu lesen.“

    Viele Grüße
    Solveig Wehking vom Forschungs-blog

    PS: Manche lesen auch lieber den Wissenschaftstext.

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