Kaum zwei Tage dauerte es, bis die ARD eingeknickt ist und einen Rückzieher machte: Xavier Naidoo wird Deutschland (Sie erinnern sich: Das Land, dass es nach Naidoos Anscht gar nicht als souveränen Staat gibt) nicht vertreten. Die über 25.000 Unterzeichner der verschiedenen Online-Petitionen können sich zurücklehnen, ebenso Twitterdeutschland, die vielen Naidoo-Kritiker auf Facebook und die großen Medien. Denn auch sie alle haben über die heftige Kritik gegen den Mannheimer Sänger berichtet, zum Teil mit sehr deutlich formulierten kritischen Worten.
Spiegel Online ist es immerhin eine Eilmeldung wert, die über dpa und andere Preseagenturen gestreute Meldung an seine Leser zu bringen:
Dort heißt es, ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber sei klar gewesen, dass Naidoo polarisiert. Mit der Wucht der Reaktion habe der Sender jedoch nicht gerechnet. Für einen Unterhaltungskoordinator ist das ein Eingeständnis, wie weit der Sender, dessen Unterhaltungsangebot zwischen Tatort, Kai Pflaume und Volksmusik changiert, entfernt ist vom „Mainstream Deutschland“ – denn, dass Naidoo mehr Kritiker als Anhänger hat, ist nicht erst seit dieser Woche bekannt. Ein Blick in die Gazetten hätte genügt – oder noch besser: Ungefiltertes Lauschen auf das Vox populi bei Twitter und Facebook. Die ARD scheint sich offensichtlich sehr weit entfernt zu haben von dem, was zumindest ein Großteil der Deutschen, die unterhalb des Couch-Potato-Alter sind, an Unterhaltung wünscht.
Denn genau in der digitalen Welt dröhnte es schon lange und immer wieder laut gegen Naidoo. Und nicht nur dort.
Noch besser aber ist, das Thomas Schreiber den Rückruf Naidoos damit erklärte, die laufenden Diskussionen könnten dem ESC ernsthaft schaden.
Das nun könnte man so auslegen, dass eigentlich die Diskutanten auf Twitter- und FB-Deutschland gemeinsam mit den Medien von der FAZ bis zur Zeit, vom Spiegel bis zum Münchner Merkur verantwortlich sind für einen Schaden, der durch Naidoos Teilnahme hervorgerufen werden könnte.
Schadensverursacher sind also nach ARD-Ansicht diejenigen, die die dem Publikum vorgesetzte „Mannheimer Heulkröte“ nicht einfach geschluckt haben, sondern deutliche Kritik geäußert haben.
Ihn jetzt nicht singen zu lassen, heißt, den ESC vorsorglich vor dem Schaden durch Naidookritiker und -spötter schützen zu wollen? So schaut’s aus. Oder auch nicht. Vielleicht ist auch die Angst vor noch größerer medialer Abwatsch-Aktionen zu groß; vor allem, wenn es nicht zu dem Ergebnis Deutsches Reich – twelve points, wie die Zeit bereits titelte und Naidoo das Ding eben nicht, wie versprochen heim ins Reich nach Hause bringt.
Dabei sind all diese Reaktionen auf Naidoos Nominierung zunächst mal eben genau das: Re-Aktionen, also Wirkungen auf die eigentliche Ursache. Und die liegt noch immer und allein bei der ARD, Naidoo ohne den ganzen Zinnober des Vorentscheids inklusive Zuschauervoting nach Stockholm schicken zu wollen; und ganz offensichtlich auch ohne sich vorher etwas intensiver mit ihrem Wunschkandidat und dessen Reputation zu beschäftigen.
Nein, nein, lieber Herr Schreiber: Den Schuh jetzt denjenigen hinzustellen, die Naidoo in Frage gestellt haben, ist ein billiger Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Den Schuh ziehen Sie sich mal schön selbst an…
Ich sehe das Ganze ein bisschen differenzierter. Ich mag zwar weder Naidoos Musik noch seine Ansichten. Aber wer Künstler nach deren politischen Meinungen einordnet, der ist sehr nahe dran an „Entarteter Kunst“. Da wird ein Fass aufgemacht, welches meiner Meinung nach sehr gefährlich ist.
Was ich aber fast noch schlimmer ist, ist das Einknicken vor ein paar Plärrern auf Twitter oder anderen sogenannten „sozialen“ Netzwerken. Da werden wir in Zukunft noch viel Freude haben wenn die Berufsempörten ihre Netzwerke aktivieren uns alle möglichen Aktionen mit Shitstorms überziehen.