Sind wir nicht alle ein wenig Afrika?

Die Photokina 2008 stand (und steht) ganz im Zeichen Afrikas. Denn unter diesem Codenamen hat Leica – für die meisten völlig überraschend – für die große Sensation dieser Messe gesorgt und eine Kamera angekündigt, die so revolutionär ist, dass sie das Zeug hat, Leica als rotgepunkteter Phönix aus der Krise zu ziehen.

leica_s2

Mit der S2 haben die Solmser eine Kamera mit den Innereien einer Mittelformatkamera im kompakten Gehäuse einer modernen Kleinbildkamera vorgestellt. Auf der Photokina kann man sie hinter Glas in einer Vitrine bewundern. Oder hinten im Gästecafé auch mal in die Hand nehmen. Dort wird sie von freundlichen Leica-Menschen ehrfürchtig und vorsichtig an den Tisch gebracht und liebevoll noch bei ihrem Kose- und Entwicklungsnamen genannt: AFRika (Auto-Fokus-Reflex-Integrierte-Kamera“.

Was aber am meisten überrascht: Der Traditionshersteller Leica hat nicht einfach eine Pressekonferenz veranstaltet und dort eine dicke Pressemappe ausgeteilt, sondern etwas gemacht, was man in der deutschen Provinz bislang noch nie getan hat: man hat tief in die Trickkiste des Marketings gegriffen und dafür gesorgt, dass die neue Kamera schon in aller Munde war, obwohl noch niemand wirklich etwas wusste.

leica

Der erste „Controled Leak“ war noch ein Hüsteln im Kanonenrohr, das niemand gehört hat. Schon am 15. September vermeldete die Wirtschaftswoche „weltexklusiv“: „Auf der Photokina … präsentiert Kaufmann [sc. der Geschäftsführer der Solmser] … eine digitale Mittelformatkamera“. Diese Meldung, die eigentlich die Branche hätte elektrisieren müssen, wurde von keinem einzigen Blogger, von keinem einzigen Journalisten aufgegriffen! Wer photographieren kann, scheint die Wirtschaftswoche einfach nicht zu lesen.

Der zweite Versuch war dann schon erfolgreicher: Einen Tag vor der offiziellen Ankündigung der S2 brachten alle Fotoforen dieser Welt das JPEG eines Flyers zur Ankündigung der S2. Quelle unbekannt. Ich habe bei Leica freilich niemanden getroffen, der dementiert hätte, dass es sich dabei um ein recht gut kontrolliertes Leck gehandelt hat. Kein Wunder, dass der Raum für die Pressekonferenz von Leica übervoll war. Das lag nicht nur am anwesenden Wim Wenders, der der Veranstaltung ein wenig Glanz verschaffen sollte. Die neu S2 hätte diesen Glanzspender gar nicht mehr benötigt. Die Ankündigung der neuen S2 war optimal im Internet vorbereitet worden. Glückwunsch nach Solms. Ihr habt nicht nur in Euerer Forschungsabteilung das digitale Zeitalter entdeckt, sondern offensichtlich auch im Marketing.

bildbetrachtung

Was es sonst noch aus Köln zu berichten gibt, lesen Sie hier.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.