Noch immer verläuft die Diskussion um Social Media Marketing mit Geschäftsführern und Marketingstrategen aus B2B-Unternehmen zumeist leidvoll. Facebook, das sei doch nur etwas für Anbieter, die den Konsumenten im Fokus ihrer Online-Auftritte hätten. Twitter tauge eh nur für flippige Egomanen, aber nicht für seriöse Verkäufer von Maschinenteilen oder Unternehmensdienstleistungen.
Mal ganz abgesehen davon, das ich meine lustigsten und schrägsten Messe-Abende stets mit völlig unseriösen Vertriebsleitern und CxOs von Maschinen- und anderen Bauern verbracht habe, rührt die noch immer zu konstatierende Abneigung vieler Business-to-Business-Entscheider von einem verbreiteten Unverständnis der Natur sozialer Medien her. Und Schuld daran sind nicht zuletzt die Agenturen und Social Media-Berater, die landauf landab erzählen, dass man ohne Facebook künftig gar kein Unternehmen mehr führen könne. Facebook, Xing, Twitter und Blogging werden vielerorts mit einer Erwartungshaltung überfrachtet, die jenseits jeder Realität und deshalb auch jenseits jedes Verständnisses bodenständiger B2B-Entscheider angesiedelt ist.
Dabei könnte alles so schön sein: wer von Social Media Marketing nicht zu viel – und vor allem “nicht das Falsche” – erwartet, wird weder schnell enttäuscht sein, noch Social Media Marketing dauerhaft ignorieren können.
Folgt man den Ergebnissen einer Umfrage der Agenturkollegen von creative360 aus dem vergangenen Jahr, so wollten 81 Prozent aller B2B-Marketer mit Social Media Marketing ihre Markenbekanntheit fördern, 79 Prozent verfolgten SEO-Ziele, 65 Prozent sahen Social Media Marketing als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit und 58 Prozent versuchten über Twitter, Facebook & Co. Leads zu generieren.
Und tatsächlich: wann immer ich heute mit B2B-Kunden rede und in Sachen Social Media Marketing ausnahmsweise auf offene Ohren stoße, so höre ich kreative Konzernlenker rufen “Mensch Kausch: alle sind in Facebook. Bringen Sie uns da auch hin!”
Und meistens muss ich darauf antworten: “Warum ausgerechnet Facebook? Wie wäre es mit LinkedIn? Oder mit Xing? Oder mit einem Blog? Oder einem YouTube Channel? Mit einer schicken Themen-Wiki oder einer Partner-Community? Was wollen Sie überhaupt erreichen? Und wen?”
Wer immer nur da hinmacht, wo alle hinmachen, kann gegen die Großen schlecht anstinken. Eine plumpe Verdoppelung des Web Auftritts in Facebook wird jedenfalls weder zu neuen Freunden, noch zu treuen Fans führen. Nicht im B2B-Bereich.
Neben meinem Softwarewunderrad und dem Hinweis, dass man doch auch erst mal mit Social Media bei der Modernisierung der eigenen Geschäftsprozesse Erfahrungen sammeln könne, packe ich dann gerne diese kleine Matrix aus:
Entscheidungshilfe für Social Media Marketing in B2B-Unternehmen. Relevanz der Kanäle in Schulnoten (vibrio 2011)
Facebook ist sicherlich auch für B2B-Unternehmen ein tolles Tool – wenn sie sich auf Dialogorientierung einlassen und tatsächlich nicht nur Leads möglicher Kunden eintreiben wollen. Wenn Sie stattdessen vielleicht auf der Suche nach neuen qualifizierten Mitarbeitern sind. Immerhin sind rund 55 Prozent der deutschen Facebook-Mitglieder in der bei Kopfgeldjägern bevorzugten Altersklasse zwischen 20 und 39. Und wenn man das Kreativpotential von Menschen schätzt, die vielleicht nicht gleich einen Brief an die Personalabteilung schicken wollen, die aber gerne offene und faire Anregungen zu den eigenen Produkten, zu Planungen und Ideen liefern. Wer die Crowd-Köpfe zu nutzen weiß, der ist in Facebook sicherlich richtig.
Branding und SEO gelingt aber zumeist besser über Online-Foren und über File Sharing Communities, von Youtube bis Scribd. Und wenn wir schon mal über Social Media Marketing sprechen: vielleicht sollten erst mal die etablierten E-Mail-Marketing-Maßnahmen auf ihre SM-Kompatibilität überprüft werden? Und wer als großer B2B-Konzern nicht in der Wikipedia zu finden ist, der sollte sich über Fan-Building per Facebook in aller Regel auch nicht allzu viele Gedanken machen.
Social Media Marketing ist so viel mehr, als Facebook und Twitter. Gerade für B2B-Unternehmen verstellt eine übersteigerte Erwartungshaltung gegenüber Facebook häufig den Blick auf interessantere Alternativen. Schade ist das.
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