Storytelling – Was ist das eigentlich? Eine Geschichte über das Geschichtenerzählen!

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Inzwischen behauptet wohl jede zweite PR-Agentur, sie betreibe „Storytelling“. Und keiner weiß, was eigentlich gemeint ist, mit dieser Wortsau, die da gerade durchs Dorf getrieben wird. Ich will hier einmal versuchen Storytelling als Ansatz in der Unternehmenskommunikation ganz im Stil des Storytellings zu erklären: mit einer kleinen Geschichte, die auch noch den Vorteil hat, fast ganz wahr zu sein …

Nehmen wir einmal an, es ist Donnerstagabend. Ein Journalist eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins konfrontiert den freundlichen PR-Mann aus der kleinen Agentur am Rande der Stadt [Sorry Herr Knüwer, aber das Bild ist einfach zu schön, um nicht geklaut zu werden …] mit der Frage:

„Sagen Sie mal: der Herr „B“, der ist doch jetzt Geschäftsführer bei Ihrem Kunden „F“. Wir oft hat der eigentlich schon bei anderen Unternehmen Insolvenz anmelden müssen?“

Da poltert doch die Nachtigall. Alarmstufe dunkelrot. Da recherchiert einer gegen den Kunden der kleinen Agentur und will ihm irgendwie nix Gutes. Aber das ist jetzt nicht das Ding. Ich will ja erklären, was „Storytelling“ eigentlich ist.  Also: Wie könnte die Geschichte am Telefon weiter gegangen sein?

Unser freundlicher PR-Mann antwortet dem investigativen Journalisten in bester jiddischer Tradition mit einer Gegenfrage:

„Darf ich Sie etwas fragen?“

„Was denn?“

„Was machen Sie, wenn Ihr Haus brennt?“

„Häh?“

„Ich meine: wen rufen Sie an, wenn Ihr Haus brennt? Die Feuerwehr oder den Gärtner?“

„Natürlich die Feuerwehr.“

„Und wenn die dann kommt … Sie hören die Sirene bimmeln, die blaue Wunderkerze nähert sich, das rote Feuerwehrauto hält vor Ihrem Haus, der Feuerwehrmann springt heraus und rollt seinen Schlauch ab. Dann gehen Sie zu ihm hin und raunzen ihn erst mal an: `Stopp! Sagen Sie mal: Ist Ihnen schon einmal ein Haus abgebrannt?´ Er guckt Sie verdutzt an und antwortet irritiert: `Also, ich bin Feuerwehrmann. Da brennt schon mal ein Haus ab.´ Und Sie erwidern: `Aha! So ist das! Dann packen Sie Ihren schönen Schlauch mal lieber wieder ein. Ich werde den Gärtner rufen. Dem ist nämlich noch nie ein Haus abgebrannt. Und einen Schlauch halten kann der auch!“

Spätestens jetzt unterbricht natürlich unser Mann vom Nachrichtenmagazin:

„Was ist das denn jetzt für eine blöde Geschichte?“

„Das ist Ihre Geschichte; die Geschichte, die Sie gerade schreiben! Wenn Sie als Feuerwehrmann gerufen werden, können Sie nicht immer garantieren, dass das Haus nicht abbrennt. Und wenn ein mittelständisches Unternehmen in der Krise ist und einen Partner sucht, dann wird es sich in aller Regel jemanden suchen, der sich unter anderem auf die Sanierung kriselnder mittelständischer Unternehmen spezialisiert hat. Und der hat dann hoffentlich auch Insolvenzerfahrung; wie der Feuerwehrmann Erfahrung hat mit niedergebrannten Häusern! Einen Feuerwehrmann fragen Sie nicht, ob ihm schon mal ein Haus unter dem Schlauch weggebrannt ist. Aber einen Unternehmenssanierer fragen Sie. Das ist seltsam. Irgendwie. Und sowieso.“

„Eine schöne Geschichte vom Feuerwehrmann“, antwortet jetzt mein Anrufer vom Nachrichtenmagazin. „Storytelling“ entgegnet der freundliche PR-Mann aus der kleinen Agentur am Rande der Stadt.

Epilog: Und irgendwann gehen die beiden dann mal zusammen einen Schoppen trinken. Und erzählen sich Geschichten. Das wäre dann ein schönes Ende. 😉

5 Antworten

  1. …und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen sie immer noch. Aber was ist jetzt mit der Story, die der Journalist seinen Lesern erzählt? Denn man kann bekanntlich aus jedem Stoff viele verschiedene Geschichten zimmern. Zum Beispiel: „Pleitegeier hat wieder zugeschlagen“ („Firmenleichen säumten seinen Weg“). Oder: „Er kann’s halt nicht“ („Trotzdem lässt man einen offenbar unfähigen Geschäftsführer immer wieder Firmen in den Ruin treiben.“)

    Der Journalist hat in der Regel die Geschichte schon im Kopf, die er erzählen will. Zwei Dinge stören ihnd abei: Fakten und ein PR-Mann, der ihm eine ganz andere Geschichte einflösen will.

  2. @ tim
    manchmal ist eine geschichte einfach keine geschichte. und wenn die dann rechtzeitig stirbt ist es besser – auch für den journalisten.

    storytelling ist eben mehr, als eine ja-nein-antwort auf eine frage. storytelling ist ein interpretationsangebot. und ein gespräch in bildern. und bilder stellen vorgefasste meinungen und artikel eher in frage, als einfache statements. storytelling zeigt, dass eine andere meinung möglich und in sich schlüssig ist. mehr ist nicht zu erwarten.

    welche antwort gibt man dem journalisten im konkreten beispiel? „herr b. war an zwei insolvenzen beteiligt, hat aber auch acht unternehmen vor der insolvenz gerettet.“ wollen wir wetten, welcher satzteil am ende zitiert wird? oder gibt man keine antwort? das kennen wir doch auch hinreichend aus report und panorama: „herr b. war für eine stellungnahme nicht zu erreichen“. ignorantes schweigen nimmt den journalisten und seine fragen nur nicht ernst und schafft gräben, die nur sehr schwer wieder zu überbrücken sind.

    du hast schon recht: der journalist hat die story schon im kopf, wenn er zu fragen anfängt. deswegen sollte auch der nette pr-mann aus der kleinen agentur am rande der stadt seine story schon im kopf haben, eher der journalist zu fragen beginnt …

  3. Einen G’schichtenerzähler nennt man im bayerischen jemanden, der nicht immer bei der Wahrheit bleibt, eine Art Münchhausen.
    So schön es ist in Bildern zu sprechen und Geschichten zu malen, wichtig ist, dass die Geschichte zumindest einen wahren Kern hat.
    „Diese Geschichte beruht auf einer wahren Gegebenheit“, zumindest im Umgang mit Journalisten.

  4. Geschichten sind Einladungen zum Nachdenken. Nicht mehr und auch nicht weniger. Was man daraus macht, bleibt jedem selbst überlassen. Eine gute Geschichte hat auch immer einen wahren Kern – und je nach Typ der Geschichte kann der auch in einer Metapher versteckt sein.
    Ich fand dieses Beispiel wunderbar für den Aspekt über Storytelling etwas zu erklären. Harte Fakten sind zwar richtig und wichtig, wirken aber manchmal sehr „unverdaulich“ – verpackt in eine Geschichte geht es dann schon leichter.
    Storyteling kann noch mehr – je nach Einsatzbereich. Und nicht nur PR-Menschen und Journalisten brauchen gute Stories.

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