Es ist auch unter den Anhängern Czyslanskys immer wieder ein Klagen und Lamentieren über den Niedergang des deutschen Qualitätsjournalismus und über die Fehlsichtigkeit deutscher Verleger und Redakteuren gleichermaßen in punkto Online-Chancenerkennung zu vernehmen. Und dass sich die gute, alte Tante SZ im Internet nicht gerade mit Ruhm bekleckert, war schon mal Thema an dieser Stelle (siehe „Die Süddeutsche hat das Internet verpennt“ vom 4.12.08). Falls es noch eines weiteren Anschauungsbeispiels bedarf, empfehle ich einen Blick auf die aktuelle Online-Ausgabe von Münchens Vorzeigeblatt.
Nicht nur, dass sich dort seit vergangenem November hartnäckig die Rubrik „So hat Amerika gewählt“ in der rechten Sammelsuriums-Spalte hält (eigentlich mehr eine Art digitaler Schuttabladeplatz, wenn Sie mich fragen…) . Als gebürtiger US-Bürger und Student der amerikanischen Geschichte finde ich natürlich auch, dass sowas von nachhaltigem Interesse sein sollte. Aber leider scheint es sich noch nicht bis in alle Redaktionsabteilungen herumgesprochen zu haben, dass die Wahl gelaufen ist! Jedenfalls liegt laut SZ-Online bis heute noch kein Endergebnis vor:
Ist das schlimm? Eigentlich nicht (Schlamperei gibt es überall). Und eigentlich wieder doch. Denn es spiegelt die Wirklichkeit wider, nämlich das klaffende Loch im relativen Qualitätsanspruch zwischen Print und Online im deutschen Traditions-Journalismus. Im schnellsten Medium, das es gibt, scheint bei den meisten deutschen Zeitungen die Zeit irgendwie seltsam still zu stehen.
Was lernen wir daraus? Besser keine Online-Ausgabe als eine schlechte? Online-Zeitungsleser schauen nicht so genau hin? Irren ist mänschlich – vergeben auch?
Ich werfe diese Fragen nur mal so in die Debatte angesichts des anhaltenden Zeitungssterbens und der Diskussion darüber, ob Verlage in Zukunft Geld für ihre Online-Inhalte verlangen können und sollen. Für solche jedenfalls nicht…