„,Tschüss‘ und ‚Hallo‘ finden wir uncool. Wir bemühen uns, ohne diese beiden Grußformeln in unserem Haus auszukommen. Über ein ‚Grüß Gott‘ und ein freundliches ,Auf Wiedersehen‘ freuen wir uns jedoch jederzeit.“ (Bild mik)
Aber hallo: diese Verhaltensanweisung an der Passauer St.-Nikola-Schule sorgte für Aufmerksamkeit. Von SPIEGEL über STERN bis BILD verbreitete sich der Ruf der niederbayerischen Schulleiterin Petra Seibert wie Donnerhall. In Passau wird gefälligst deutsch gegrüßt; äh nein: hochbayerisch!
Ausgerechnet in der ostbayerischen Provinz spielt diese possierliche Posse, in der Region, der der “Zukunftsrat” der Bayerischen Staatsregierung vor einem Jahr die Zukunftsfähigkeit rundweg abgesprochen hat und deren Eingeborene sich nicht gerade durch besondere Sprachverständlichkeit ein bedenkliches Image erworben haben: “’Scha’ sagten die Schüler statt ‘Schere’, und wollten sie Papier haben, riefen sie: ‘Kon i a Bladl hom?’” wusste ein im Niederbayerischen eingesetzter Lehrer aus dem Saarland schon vor drei Jahren einem SPIEGEL-Reporter zu klagen.
Petra Seibert, Rektorin in Passau (Bild: BILD)
Petra Seibert, Rektorin der St.-Nikola-Schule in Passau empfindet nun “Hallo” und “Tschüss” als unhöflich. Obendrein erschwere es Passauer Kindern den Eintritt ins Berufsleben, wenn sie später im Bewerbungsgespräch den Personalleiter der örtlichen Sparkasse mit “Hallo” begrüßten. “Es gehört hier nun mal zur Umgangsform, in Bewerbungsgesprächen ‚Grüß Gott‘ zu sagen.” Deshalb kann der Muselmann ja auch nichts werden im tiefen Bayern. “السلام عليكم” gehört in Passau nun mal nicht zur Umgangsform. Außerdem klingt’s für niederbayerische Ohren eher nach einer Salami-Bestellung und Gott kommt auch nicht drin vor.
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin und vorgebliche Online-Expertin der CSU Dorothee Bär findet die Passauer Kampagne zur Sprachhygiene übrigens sehr gut. “In Zeiten der Globalisierung kämpfen wir ohnehin für den Schutz der deutschen Sprache. Es ist gut, wenn Schüler wissen, wo ihre Heimat ist und ein Bewusstsein dafür geschaffen wird.” So die Frau von Welt gegenüber der Zeitung Welt. Aber wie twitterte das Web-Bärle noch wenige Tage zuvor (am 29. Januar) so schön: “@viatorius Hallo! Mal meine Interviews dazu lesen! :-)”.
Frau Lehrer, Dorothee hat “Hallo” gesagt. Sechs! Setzen! Also bei mir würde die Frau keinen Job bekommen.
Aber hallo Frau Bär! (Bild: CSU)
Dabei sollte man doch ausgerechnet in der Dreiflüssestadt ein Verständnis für das Wörtchen “Hallo” mitbringen. Ethymologen vermuten die Herkunft des Wortes immerhin in der Sprache der Fährmänner: aus “Hol über!” habe sich das beliebte “Hallo” einst entwickelt. “Tschüss” wiederum leitet sich aus dem romanischem “Adieu” oder “Adios” ab. Die Seefahrer der Hanse haben diese Grußformel einst aus ihren großen Fahrten mitgebracht und sein Wortsinn “mit Gott” ist vielleicht nicht ganz so anwanzend wie das bayerische “Grüß Gott”, aber doch durchaus synonym zu gebrauchen.
Vielleicht wäre aber auch “Servus” eine einer niederbayerischen Schule gemäße Grußformel. Nicht nur, dass es zumindest als “Seas” bei Jugendlichen zwischen der Münchner Au und der Schwanthalterhöh’ recht verbreitet ist, so weist auch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes – lateinisch für “Sklave” – auf ein für bayerische Grenz-Aue zeitgemäßes Schülerbild hin.
Die Gesellschaft der Freunde Czyslanskys darf sich schließlich bei den aktuellen bildungspolitischen Auseinandersetzungen um das richtige Maß an Lokalkolorit in Schule und Personalabteilung nicht heraushalten. Schon aus eigenem Forschungsinteresse heraus. Schließlich war es der us-amerikanische Cosa Nostra-Pate Meyer-Lansky, der, eine Zigarre im Mund, seinen unvermeidlichen Borsalino auf dem Kopf, am 12. September 1956 den großen Spiel-Saal im Hotel Nacional von Havanna betrat, kurz auf den Pianisten zielte, abdrückte und sich mit den später unsterblich gewordenen Worten “Tschüss. Lansky.” unter voller Nennung seines Namens vom leider nur durchschnittlich begabten Klaviervirtuosen verabschiedete.
Der Tatort: Hotel Nacional im kubanischen Havanna (Bild mik)
Der Täter: Meyer-Lansky, eigentlich Majer-Suchowliński, aber “Tschüss Suchowliński” hätte einfach bescheuert geklungen. Bild: Wikipedia
Noch in den siebziger Jahren vermutete der heute zu Recht vergessene bayerische Historiker Anselm Glashuber, dass es sich bei dem getöteten Pianisten um unseren geliebten Czyslansky gehandelt habe. Ein Irrtum, der nicht zuletzt der Ignoranz der Altbayern gegenüber dem doch durchaus gebräuchlichem “Tschüss” zuzuschreiben ist.
Moin (in einigen Teilen Deutschlands durchaus gängige Grußformel zu ALLEN Tageszeiten)!
Ich finde es besonders bemerkenswert, dass die Frau Direktorin scheinbar davon ausgeht, dass alle ihre Schüler sich bei einer Firma im bajuwarischen Sprachraum bewerben — oder meint sie, es käme gut sich beim Vorstellungsgespräch bei einer Spedition in Bremen mit „Grüß Gott“ eizuführen. Diese Frau zeigt leider nur, dass es (meine Erfahrung bestätigt es leider, bei drei Buben, die in bayerischen Schulen waren) bei den Lehrern in Bayern doch noch viel Intoleranz und Engstirnigkeit gibt.
LG
Micha
@Micha Schlede: Ich hielte es für einen fatalen Fehler, sich ausgerechnet in einer Gegend wie Bremen mit gefühlten 120% Arbeitslosigkeit bei einer Spedition zu bewerben. Da spielt es keine Rolle mehr, ob ich Grüß Gott sage, Hallo oder Tach.
Das Gegenstück zu „Hallo“ ist natürlich auch eher „Sers“ und weniger „Grüß Gott“, dem entspräche im Norden doch vielleicht eher das „Guten Tag“. Die Aufregung um den Erlaß der Direktorin kann ich nicht nachvollziehen. Aber ich bin ja auch Bayer und daher per definitionem intolerant und engstirnig. LOL.
Aus dem Programm von Martina Schwarzmann: „Sog amoi, wiaso redst Du mit Deim Buam Hochdeitsch?“ „Er sois amoi besser ham“ „Wenn des so war, nachad soitns in Mecklenburg-Vorpommern eanane Kinder eher Boarisch lerna“.
Vielleicht kommt da die oft angetroffene Bavarophobie her? Bei MIK ist es natürlich was anderes, die Franken fühlen sich ja immer noch von den Bayern besetzt und kulturell unterdrückt und greifen daher solche Themen auf. So
Aber jetzt lass ich’s gut sein und vertschüß mich wieder.
In der Tat: Bei uns heisst das „Adeee“ und wird schon in der Grundschule alle zwei bis drei Jahre bei der unvermeidlichen Verabschiedung des „Glubb“ aus der ersten Liga kollektiv eingeübt.
Ich warte nur noch darauf, dass bayerische Bildungspolitiker eines Tages auf die Idee kommen Frankens wertvollstes Gemälde mit dem Vermerk „Ein echter Türer“ in ihre Pinakothek hängen.
Mir san mir! Mir sagn Grüss Gott und Kruzifix und Sakrament, weil wir eben mir san, das auserwählte Volk.
Meinen amerikanischen Geschäftsfreunden habe ich übrigens immer erklärt, dass man bei uns zur Begrüssung einfach: „Scott“ sagt, damit fanden Sie sich sofort zurecht und konnten akzentfrei wie Einheimische grüssen.
Pfiats eich!
Vielleicht geht es auch nicht um das Bayerische, sondern um das Österreichische: Die in der Ausbildung befindlichen, möglicherweise zukünftigen Armutsflüchtlinge aus Passau sollen so für die Integration im erfolgreichen Nachbarland vorbereitet werden.
Somit wäre dies kein kleingeistiges Tun sondern einer der Einheit Europas zugewandten Ausbildungsleistung der Lehrkraft, die für den Bayerischen Verdienstorden 2012 quasi prädestiniert ist!
Sehr guter Beitrag! Gefällt mir!
Ein guter Beitrag zur Erhalt der eigenen Kultur. Im übrigen bestätigt es meine Auffassung: Jede Bewegung erfährt irgendwann eine Gegenbewegung. Ich freu mich über die auf die Gegenbewegung (Erhalt unserer Traditionen) in Bezug auf die Globalisierung. Die Globalsierung gibt mir vielleicht mehr geistigen Horizont aber nicht das Gefühl hier meine Heimat zu schätzen. Oder doch? Je mehr Globalisierung, desto mehr bin schätze ich unsere alpenländische bayerische, katholische Tradition in Verbindung mit den Österreichischen Traditionen. Es ist einfach unsere Region. Da kehr i hi, da bin I dahoam!
Grüß Gott & Servus!
Sehr aufschlussreich. Nächstes Mal werde ich im Büro auf das übliche, kolloquialistische „Hey Tobias!“ ein belehrendes „Guten Tag.“ erwidern. Wir sind hier schließlich in einem börsennotierten Unternehmen und nicht in Gitta’s Stüberl, normative Kraft des Faktischen hin oder her!
@Tobias in Gittas Stüberl gilt immer noch die klassische Begrüssung: „A Hoibe!“
Ich übe auch schon:
„Guten Tag! Zwei in einem Brötchen, bitteschön. Vielen Dank.“
statt
„Zwa in am Weck. Bassd scho.“
MiK: Mit „Brötchen“ bist Du auf dünnem Eis. Wie heißt das? Oh mei-o-mei. Franken sind vielleicht auch Bayern, aber man hört es ihnen nicht an.
In Wien im Café Landmann habe ich mal folgenden Dialog gehört (ein Touristenpärchen): „Ey kuck ma, dit is allet recht teua hier. Aba es gibt Schinkenbrötchen für 2 Euro – det nehm wa.“ Bei der Bestellung meinte der Ober „Ich nehme an, die Herrschaften wünschen ihre Brötchen auf zwei Tellern?“
Die beiden Landsleute(?) taten mir recht leid. Ich wußte, was sie kriegen würden – Brötchen halt. Dumm, wenn man auf Semmeln spekuliert, und kommt davon, wenn man meint, daß alle identisch reden müssen, nur weil die gemeinsame(?) Sprache Doitsch heißt.
Und die Moral von der Geschichte? Mei ….
@svb: ich übe deutsch, nicht den dialekt der regionalen süddeutschen hegemonialmacht.
die alternative zum glubb heisst ja auch schalke und nicht .. äh … na … ich komm jetzt nicht auf den namen … na eben dieser andere stadtverein neben den 60gern …
@MiK: Itz glangt’s. Erwarte meine Sekundanten 🙂