Wie organisiert sich die Twitter Community? Nach Freundschaften, Themen, nach Zufall oder vielleicht nach Stimmungen? Diese Frage versucht eine aktuelle Studie der Cornell University of Indiana zu beantworten. Projektleiter Johan Bollen fand dabei zum Beispiel heraus, dass Twitterati, in deren Kurzmitteilungen das Wort “loneliness” vorkommt, auf andere Twitterati stoßen, die ebenfalls über Einsamkeit zwitschern. Eine banale Erkenntnis? Nicht ganz:
Twittern in the mood
Johann Bollen und sein Team haben über einen Zeitraum von sechs Monaten mehr als 100.000 Twitterati in ihren Twitter-Gewohnheiten beobachtet und untersucht. Sie analysierten Tweets nach werthaltigen Stichwörtern, etwa “happy”, “great” oder “terrible”. So wurde für jeden Twitterati ein SWB-Wert (“Subjective Well-Being”) gemessen:
Np und Nn steh dabei für die Anzahl der positiven bzw. negativen Ausrücke in den Tweets der Untersuchungspersonen “u”.
Anschließend wurden SWB-Werte für Zweierbeziehungen und für komplexe Netzwerke gemessen und die Ergebnisse nach ihrer statistischen Signifikanz bewertet. So fanden die Forscher heraus, dass es sowohl positiv-emotionale Netzwerke, als auch negativ-emotionale Netzwerke gibt. Zwischen beiden bestehen nur wenige Verbindungen. Twitterati, die positiv-emotional twittern folgen häufig anderen positiv-emotionalen Twitterati:
Oben ein negativ-emotionales Netzwerk, unten ein positiv-emotionales Netzwerk.
Twitterati, die gerade glücklich sind, treffen in der Regel auf Twitterati, die sich ebenfalls gerade in Hochstimmung befinden – und umgekehrt: “Happy users tend to connect to happy
users whereas unhappy users tend to be predominantly connected to unhappy users.”
Macht Twittern glücklich?
Zwei Mechanismen sehen die Forscher als ursächlich für diese Formierung des Twitter-Universums nach dem subjektivem Wohlbefinden an:
Zum einen sehen sie den Trend zur “Homophilie”: Menschen fühlen sich von anderen mit ähnlicher Grundstimmung und ähnlichen Grundmeinungen angezogen – ein Ansatz, den die Sozialwissenschaften schon seit Newcomb unter den verschiedensten Ausprägungen der “Balance-Theorie” kennen. Überspitzt formuliert: Letztlich sucht man in sozialen Netzwerken immer nur sich selbst bzw. Menschen mit ähnlichen Gefühlen und Meinungen!
Zum zweiten ziehen die Wissenschaftler die Idee der SWB-Übertragung in sozialen Netzwerken heran: “In other words, being connected to unhappy users can make one unhappier and vice versa.” Es kommt also zu einer Angleichung der Gefühlswelten durch die Kommunikation im Twitter-Universum. So könnte Twitter tatsächlich glücklich machen!
Was fangen wir nun mit einer solchen Studie an? Vielleicht ist spannender als die Ergebnisse der Studie ihre bloße Existenz: dass Wissenschaftler heute Twitter zum Forschungsgegenstand erheben, das neben einer Peer Group- und Familiensoziologie eine Twitter-Soziologie entsteht. Worüber man forscht, das ist wirklich – gleichgültig ob wir es verstehen!
2 Antworten
Hallo Michael,
kleiner Fehlerteufel: Die Studie ist nicht von der „Cornell University of Indiana“ (die Cornell liegt in New York), sondern von der Indiana Universität.
Viele Grüße,
Daniel
Unglückliche, homophile Indiana auf Twitter? Verdammt was man alles erforschen kann …