Über das Überwinden von Sicherheitskontrollen

Beim Security-Check am Münchener Flughafen werden viele Tests vorgenommen. Einige kennt man, einige nicht, und man will auch nicht alles wissen, solange die Leute dort ihre Arbeit richtig machen. Was ich nicht weiß, wissen die Terroristen auch nicht. Hoffentlich. Nun wissen wir also, daß es dort ein Mini­labor gibt, in dem ver­däch­ti­ge Stoffe unter­sucht werden können. Sehr gut. Der Lap­top eines Rei­sen­den sollte dieser Unter­suchung unter­zogen werden, ob ver­dächtig oder Stich­probe ent­zieht sich meiner Kennt­nis. Von diesem Lap­top, an dem sich irgend­ein Stoff befand, wurde eine „Wisch­probe“ genommen und an Ort und Stelle unter­sucht. Die Kontrolleurin bat den Mann auf Englisch, zu warten. Dieser hatte viel­leicht keine Lust zu warten, viel­leicht sprach er kein Englisch, jeden­falls ver­ab­schie­dete er sich auf französisch und ver­schwand in der Menge. Dann wurde die „Wisch­probe“ positiv auf Spreng­stoff ge­testet, aber es war niemand mehr da, den man aufhalten konnte. Wie man in­zwischen er­fahren konnte, kommen positive Tests aller­dings etwa 10 mal pro Tag vor, denn diese Stoffe gibt es auch in Cremes und Parfüm, und Spreng­stoff wird ja wohl hoffent­lich so gut wie nie dabei gefunden.

Dennoch, Alarm nach Vorschrift, die Kontrolleurin ruft die Polizei um Hilfe. Etwas spät, wie es vielleicht wirkt, zuerst hat die er­fahrene Kraft offen­sicht­lich ver­sucht, den Mann auf eigene Faust wieder auf­zu­treiben. Dann über­schlagen sich die Ereignisse, alles rennet, rettet, flüchtet, der größte Alarm in der Geschichte dieses Flug­hafens wird aus­gelöst. Alle möglichen Flüge ver­späten sich nun, es wird fieber­haft nach dem Mann gesucht. Dieser sollte bis heute nicht mehr auf­tauchen. Nach einigen Stunden meldet die Polizei, wie man u.a. im Bayerischen Rund­funk hören konnte, daß nun alle Flüge, die der Mann hätte erreichen können, gelandet seien, ohne daß etwas passiert sei. Entwarnung.

Und während man noch darüber nachdenkt, ob diese Try-And-Error-Methode vertrauenseinflößend wirken sollte, fällt auf, daß sich längst schon diverse Menschen zu Wort gemeldet haben. Regierungs­präsident Christoph Hillen­brand zum Bei­spiel. Für die Kontrollen zuständig ist die Bezirks­regierung Ober­bayern. Hillen­brand ist damit letzt­lich auch eine Art Vor­gesetzter der un­glück­lichen Sicher­heits­frau. Der Vorfall war gerade erst bekannt geworden, da wußte er schon, wie im Focus online nach­zu­lesen war,

Die Mitarbeiterin sei vom Kontrolldienst suspendiert worden, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand. Ob der spurlos verschwundene Passagier Sprengstoff mitführte, sei ungeklärt. (…) Noch während ein Mitarbeiter eine Wischprobe von dem Laptop auf Sprengstoff untersuchte, habe die zuständige Mitarbeiterin den Passagier und den Computer aus den Augen gelassen und sich einem anderen Fluggast zugewandt. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Dienstanweisung, der sich nie wiederholen dürfe

(Hervorhebung von mir). Das hat Stil. So einen Vorgesetzten wünscht man sich. Und sofort wurde die Frau vom Dienst suspendiert, zumindest laut Herrn Hillenbrand.

Genausowenig für Beruhigung sorgen konnte der für die Bundes­polizei zu­ständige Gewerk­schafts­chef Josef Scheuring. Für ihn stand schnell fest, daß das alles nicht passiert wäre, würden die Sicher­heits­kräfte besser bezahlt. Das ist ja beinahe noch schwerer zu verkraften als der Fußtritt des Behörden­chefs: Die Frau hätte also ihren „schlimmen Fehler“ nicht gemacht, wäre sie nur ordentlich bezahlt worden? Hier gab es bereits einen schönen Artikel in der Süddeutschen zum Thema, dem ich nichts hinzufügen muß.

Zwei Tage später, wie wieder in Focus online nachzulesen war, hat die Frau auf einmal ganz richtig gehandelt. Sagt der Sprecher der Regierung von Ober­bayern, Heinrich Schuster. Keine Rede mehr von Suspendierung. Und was heißt das nun für die Herren Hillen­brand und Scheuring, also im Licht der Fest­stellung, daß die Frau sich richtig verhalten hat? Scheuring geht ja noch weiter: Nur eine Ver­staat­lichung des Dienstes, mehr Pausen und eine bessere Aus­bildung könne solche Vor­komm­nisse verhindern.

Es ist sicher keine schlechte Idee, über Pseudo­privati­sierung nach­zu­denken. Zu­ständig für die Gepäck- und Passagier­kon­trol­len an den Sicher­heits­schleusen ist die SGM, die „Sicher­heits­ge­sell­schaft am Flug­hafen München mbH“. Diese ist eine hundert­prozentige Tochter des Frei­staats Bayern. „Privat­wirt­schaft“? Wie man’s nimmt. Aber „bessere Aus­bil­dung“? Die Mit­arbeiterin war nicht gestern erst eingestellt worden. Nun, anstatt genau das zu sagen, liest es sich bei Hillen­brand eher wie eine Rechtfertigung der Handlungen des eigenen Amts, zum Beispiel auf Spiegel online:

Gleichzeitig wies Hillenbrand Vermutungen zurück, wonach das Sicherheitspersonal schlecht bezahlt und nur mangelhaft angelernt werde. Die etwa 1100 Mitarbeiter der privaten Gesellschaft im Besitz des Freistaats Bayern würden nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vergütet. Zudem habe jene Beschäftigte, die sich fehlerhaft verhalten hatte, rund 20 Jahre Erfahrung gehabt.

Das weiß er also – aber er hat keinen Zweifel daran, daß die Frau gegen die Dienst­vor­schrift verstoßen hat?

Das aber sieht die Gewerkschaft der Polizei anders, sie sieht ein grundsätzliches Problem: Die Ursache des Vorfalls sei die Privatisierung der Kontrollen in den neunziger Jahren. „Wenn ein Mensch nicht funktioniert, dann haben wir da schon ein Problem in der Luftsicherheitskette“, sagte der GdP-Vorsitzende Scheuring.

Wenn ein Mensch nicht funktioniert… sympathische Weltsicht. Und ich denke immer noch, daß Maschinen, die nicht funktionieren, das eigentliche Problem in der Luftsicherheitskette wären. Im Handumdrehen äußerten sich also sofort die üblichen Verdächtigen. Menschen, die versucht haben, politisches Kapital aus dem Vorfall zu schlagen. Hilfreich war das nicht. Ebenso wie die Forderung, nun aber endlich die Nackt­scanner einzusetzen. Als ob das etwas damit zu tun gehabt hätte.

Dabei liegt eine mögliche Konsequenz auf der Hand: Die Sicherheitssperren sind an unserem Flughafen offensichtlich wirklich nicht sicher. Hier war es ein harmloser Geschäfts­mann, false alarm, nichts passiert. Was, wenn es einmal wirklich ein Attentats­versuch ist? Wer durch die Detektoren geht, ist praktisch schon durch. Nun ein paar Komplizen, ein Menschen­auflauf, ein bisserl Tohu­wa­bohu, und schon läßt sich das wieder­holen. Man müsste vermutlich einfach Schleusen einbauen, nach der Hand­gepäcks­durch­leuchtung. Kontrolle ok? Schleuse auf. So einfach? Vielleicht zu einfach.

Ein alter Bekannter hat sich nämlich sofort auch wieder gemeldet. Der all­wissende und immer wieder omni­präsente Politiker Wiefelspütz. Der würde es dadurch lösen, daß man die Namen derer erfaßt, die durch die Kontrollen gehen. Beein­druckende Idee. Aber wenn wir uns recht erinnern, gab es sogar eine Videoaufnahme des Mannes, und die Polizei (also die nicht privatisierte Bundespolizei) war nicht in der Lage, den Mann zu finden, obwohl die Anzahl der in Frage kommenden Personen über­schau­bar gewesen sein dürfte. Aber vielleicht fordert die GdP noch schnell mehr Geld und ein paar mehr Pausen für die Bundes­polizei, das hilft sicher.
Bildquelle: flickr

Eine Antwort

  1. Also meine Fehler sind auch ausschliesslich darauf zurückzuführen, dass ich zu wenig verdiene. Naja, vielleicht verdiene ich auch nicht mehr, weil ich so viele Fehler mache, aber das ist eher ein semantisches Problem.

    Ich finde es im Grunde sehr tröstlich, dass man menschliches Versagen durch höhere Bezahlung bekämpfen kann.

    Deshalb machen ja auch die Vorstände und Aufsichtsräte der großen Konzerne und Banken nie Fehler … oder verdienen die vielleicht auch noch zu wenig?

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