Diese Infografik der New York Times zeigt deutlich, wie groß die Kluft ist zwischen der Zahl von Muslimen in den einzelnen europäischen Ländern und der Wahrnehmung der Bürger. Selbst in Frankreich, dem Land mit dem höchsten Anteil an Einwohnern muslimischen Glaubens beträgt sie gerade mal acht Prozent. In Befragungen geben die Franzosen aber an, sie läge bei fast einem Drittel! Ähnlich sieht es in Belgien aus, Spanien und Großbritannien weisen ähnliche Zahlen auf. Und Deutschland? Mit 6 Prozent liegt die Bundesrepublik irgendwo im Mittelfeld, aber das „Bauchgefühl“ der Bürger sagt dreimal so viele.
So viel zum Märchen von der „Islamisierung“ Europas, aber warum dann diese Inflation in den Köpfen? Sicher tragen dazu solche Idioten wie Thilo Sarrazin bei, der in „Deutschland schafft sich ab“schreibt: „Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist.“ Und Vorschläge wie die der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner, in Deutschland die Burka zu verbieten, treiben den Angstbarometer nur noch zusätzlich in die Höhe. PEGIDA-Anhänger scheinen sich ihre Zahlen ohnehin selber zusammen zu reimen, frei nach dem Motto: Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.
Tatsache ist, dass der Muslimanteil in Deutschland nur sehr langsam wächst. Die Studie „The Future of the Global Muslim Population“ des angesehenen „Pew Research Center“ hat errechnet, dass 2030 etwa 5,5 Millionen Muslime in Deutschland leben werden. Das entspräche lediglich einem Bevölkerungsanteil von etwa einem Prozent mehr, wie die WAZ vermeldet, nämlich 7 Prozent.
Es fällt aber schon deutlich auf, dass die Angst vor Überfremdung ausgerechnet in den deutschen Städten am größten ist, die den kleinsten Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund haben: In Dresden liegt die Zahl seit Jahren konstant bei 7 Prozent, in Leipzig ist sie seit 2005 um einen Prozentpunkt gestiegen auf 9 Prozent.
Das Mißverhältnis zwischen Sein und Schein könnte natürlich an den Kriminalstatistiken liegen, wo der Ausländeranteil mit fast 25 Prozent in der Tat unverhältnismäßig hoch ist, allerdings nur unter jugendlichen Tätern und dort vor allem bei Gewaltdelikten. Erwachsene Ausländer sind statistisch gesehen genauso brave Bürger (oder auch nicht) wie die Deutschen. Und laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik hat sich die Zahl der Gewaltverbrechen bei jungen Ausländern zwischen 2005 und 2013 sogar fast halbiert.
Die Schlagzeilen in die Zeitung scheinen dagegen die Vorurteile zu bestätigen, aber daran sind ja wir Journalisten schuld. Weshalb auch nur wenige Blätter über die Studie berichtet haben, in der der Münsteraner Kriminologe Christian Walburg festgestellt hat, dass erwachsene Einwanderer „insgesamt eher nicht vermehrt durch Straftaten“ auffallen.
Ich habe ja selbst Migrationshintergrund (USA), und auch wenn ich kein Muslim, sondern lupenreiner Atheist bin (Vater war evangelischer Pfarrer, das hat gereicht), so verstehe ich die ganze Hysterie nicht. Aber ich habe auch keine Geduld mit denjenigen, die jetzt um „Verständnis für die Ängste der Menschen“ werben.
Menschen mit unbegründeten Angstzuständen genießen normalerweise keinen besonderen Schutz, sondern medizinische Behandlung. Aber Valium ist auch keine Antwort auf PEGIDA. Wahrscheinlich hilft nur, die Fakten gebetsmühlenartig zu wiederholen und zu hoffen, dass die, die es betrifft, einem irgendwann auch mal zuhören werden.
Die Bertelsmann-Studie „Religionsmonitor“ weist nach, dass in jenen Teilen Deutschlands, in denen besonders viele Muslime leben, das Verständnis für den Islam unter den Nicht-Muslimen am größten ist. In Regionen wie Sachsen hingegen, in denen kaum Muslime leben, bestehen die größten Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber dem Islam. Dann ist die Lösung doch einfach: Einführung einer Mindestquote für muslimische Migranten. Mehr Islam nach Sachsen. Dann klappt die Integration. So wie mit den Polen in NRW und Podolski in Köln. Wir könnten ja einen großen Bevölkerugsaustausch anregen: PEGIDA-Anhänger ausweisen und durch muslimische Migranten ersetzen. Und Erika Steinbach kümmert sich dann um die nach Deutschland Vertriebenen. Wer macht mit?
Mich würde interessieren, was denn dann nun eine Antwort auf Pegida ist. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, Du suchst keine Antwort, sondern ein Ungeziefervernichtungsmittel. Bei allem Respekt, ich unterstelle, Du hast Dich mit den Leuten nicht auseinandergesetzt, und sehe, Du bist sehr voreingenommen („unbegründete Ängste“ – was diese Menschen treibt, weisst Du doch nicht, oder? Wenn sie nur Steine werfen wollten, könnten sie das ja wohlgelitten bei irgendwelchen Antifa-Aktionen machen).
Wer den Dresdnern vorwirft, gegen etwas zu sein, das sie nicht haben, sollte auch verlangen, dass über Klimaerwärmung geschwiegen wird, solange es nicht warm ist. Und last but not least: Wieso ist Thilo Sarrazin ein „Idiot“, wenn er sagt, er wolle nicht, dass das Land seine Urenkel in grossen Teilen muslimisch sei. Mein Gott, willst Du das vielleicht? Wie ich zufällig weiß, willst Du das auch nicht. Ohne ein Idiot zu sein. Oder gar *huch* xenophob. Ich hätte mir eine sachliche Ebene gewünscht. Was bei Sarrazin nicht schwer ist, seine Thesen sind entweder widerlegbar oder richtig, dann aber harmlos und einfach nur logisch. Die Öffentlichkeit hat sich drei oder vier Seiten geschnappt und hängt sich daran auf. Wollten wir bei Czyslansky nicht besser sein als der Ochlos?
Eines haben wir schon erreicht: Wenn in unserer heutigen Gesellschaft jemand sich nicht im politischen Mainstream bewegt, genügt es, ihn als „Rechten“ zu diffamieren. Und ab da wird nicht mehr argumentiert, sondern zugeschlagen, noch(!) meist nur verbal. Wo ist der Unterschied zu den gewalttätigen dogmatischen Staaten? Was ist bei uns auf einmal mit der Aufklärung passiert? Wollten wir nicht Zensur überwinden und andere nach ihrer Façon selig werden lassen? Ich sehe bei uns schon wieder die Inquisition am Werk und weiß nicht einmal genau, wie wir das wieder der Pegida in die Schuhe schieben wollen.
Vielleicht nervt mich auch nur, dass ich das alles in einen Kommentar schreibe und nicht einen schönen langen Czyslanskyartikel draus mache.
Der geschätzte Anstieg des muslimischen Bevölkerungsanteils von 6 auf 7 % ist kein Anstieg um ein Prozent, sondern um fast 17 Prozent.
@SvB: Dass ich Herrn Sarrazin als „Idioten“ beschreibe ist meiner angeborenen (oder anerzogenen) Höflichkeit geschuldet. In Wirklichkeit ist er ein übler Volksverhetzer, und von denen hatten wir hier in Deutschland vor etwas mehr als 1000 Jahren schon genügend.
Und wenn man die kleine Gruppe von Dresdnern, die es wagen, für Intoleranz auf die Strasse zu gehen und dabei auch noch „Wir sind das Volk!“ zu skandieren und sich dsamit an den vielen, vielen mutigen Ossis versündigen, die im Namen von Freiheit und Selbstbestimmung den selben Spruch gerufen haben, in einen Sack mit den „Know-Nothing“ Teeparteilern in den USA steckt und mit dem Dreschflegel draufhaut, trifft man auf jeden Fall die Richtigen.
Es ehrt dich, dass du hier versuchst, einen Ton der Mäßigung und des Ausgleichs anzuschlagen, aber jetzt ist keine Zeit für Ausgleich und Mäßigung. Jetzt ist Zeit für Menschen, die guten Willens sind, sich zu Wort zu melden – und sich zu wehren! Sonst müssen wir uns von unseren Kindern vielleicht einmal vorwerfen lassen, wir hätten abgewartet, bis es zu spät war, wie weiland Herrn Chamberlain. Siehe dazu auch „Charlie Hebdo und das linke Appeasement“
Also ich will weder in einem Land mit Soundsoviel Muslimen leben und auch nicht mit Christen und Buddhisten … ich möchte in einem aufgeklärten Land leben, in dem ich gar nicht bemerke, ob jemand an irgendwen oder was glaubt. Ich hätte gerne eine diskrete Form der Religionsfreiheit … jeder denkt und glaubt was er mag und lässt die anderen damit in Ruhe.
Also, wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich gerne in einem Land ohne Religion leben, in dem es nur intelligente, vernunftbegabte Menschen gibt, die sich ihres Verstandes bedienen. Aber das wäre wahrscheinlich zu viel verlangt…
Ich halte die Aussagen der PEGIDA-Anhänger zu Thema Ausländer und Asyl und Islam in aller Regel nicht für diskutierbar, weil so weit von der Realität weg, dass es den meisten ganz offensichtlich nicht um einen rationalen Diskurs geht. Allerdings bedeutet das nicht, dass man den Hintergrund der PEGIDA-Bewegung nicht ernst nehmen dürfte: soziale Marginalisierung breiter Bevölkerungsschichten, die geringe Attraktivität der politischen Gremien und Parteien, das Auseinanderdriften von medial vermittelter Politik und Alltagserfahrung – alles dies muss ernst genommen, diskutiert und letztlich gelöst werden. Aber die Ausländerstigmatisierung und der neue Patriotismus sind Sublimierungsgesten. Das ist ein unreflektierter und falscher Widerhall der wahren Probleme. Wer sich auf dieses Thema einlässt dient in der Tat der Legitimation dieser gefährlichen Parolen. Wir müssen jederzeit und überall dafür sorgen, dass Ausländerhass, Rassismus und religiöse Intoleranz grundsätzlich als indiskutabel gebrandmarkt werden als. Rassismus kann man nicht im rationalen Diskurs bekämpfen, sondern nur mit gesellschaftlichen Veränderungen und mit der Etablierung sozialer Bewegungen und Einrichtungen, die attraktiv sind für jene, die fälschlich dem Faschismus anheim fallen. Und ja: ich halte PEGIDA für eine faschistische Bewegung. Und nein: ich bin nicht bereit die Menschen, die sich unter der PEGIDA-Fahne sammeln, aufzugeben.