Wie verändert Digitalisierung und Vernetzung nicht nur unser (Er-)Leben, sondern alles das, was wir für „wirklich“ halten? Und betrifft diese Veränderung allein unser Denken und unsere Vorstellungen, sondern auch die materielle Realität selbst? Vernetzte Zusammenhänge sind in dieser Welt sichtbarer und auch wichtiger als isolierte Phänomene. Nicht mehr das Einzigartige ist wertvoll und wichtig, sondern all das, was mit (möglichst) allem anderen in Verbindung gesetzt und mit ihm in Austausch treten kann. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass sich zusammen mit der Wirklichkeit selbst auch untere Vorstellung von dem, was an ihr wertvoll ist, ja, was ihren eigentlichen Wert ausmacht, grundsätzlich verändert. Darum geht es in These 4 des im Oktober bei Hanser erscheinenden Buchs „Digitale Aufklärung – Warum uns das Internet klüger macht„, dass Ossi Urchs und ich geschrieben haben.
These 4:Digitalisierung und Vernetzung schaffen technisch und gesellschaftlich, kulturell und wissenschaftlich neue Bedingungen. Sie gilt es in Kategorien zu fassen und als Qualitäten zu verstehen.
Damit hat sich bereits weitgehend das verändert, was wir für wirklich halten, genau wie die Bedingungen unter denen wir die neue Realität erleben. Ist ein Computerspiel weniger real als die Schnitzeljagd im Wald? Ist eine Facebook-Romanze etwas anderes als ein Flirt an der Bar?
Obwohl der binäre Code uns nahe zu legen scheint, allein zwischen „an“ und „aus“ zu unterscheiden, zwischen „real“ und „irreal“, haben wir doch offenbar längst gelernt, die Welt gerade mit der Hilfe digitaler Informationen differenzierter, ja granularer und modularer zu verstehen, ohne, so ist jedenfalls zu hoffen, ihre grundlegende Einheit im Sinne der ihr eigenen vernetzten Existenzweise zu übersehen oder gar zu vergessen.
Digitalisierung und Vernetzung verändern offensichtlich die gesamte Art und Weise wie wir Realität erleben, verstehen und verarbeiten. Doch damit nicht genug: auch die Bedingungen unter denen wir das tun, sind andauernd fortschreitenden Veränderungen ausgesetzt. Und zwar so schnell und dynamisch, dass wir unter dem Eindruck des immer wieder neuen Geschehens um uns herum drohen zu vergessen, es auch gedanklich und begrifflich zu erfassen. Wir brauchen also angesichts der neuen Entwicklungen und Erscheinungen, ob sie sich nun im Bereich der Wissenschaft oder der Technologie, gesellschaftlich oder kulturell zeigen und ausprägen, erst eine Begrifflichkeit, die ihnen auch gerecht wird. So wie Newton’s Mechanik nicht zur Beschreibung der Quantenphysik taugt, so helfen auch Vorstellungen und Begriffe der vergangenen Jahrhunderte herzlich wenig bei der Beschreibung der digital vernetzten Gegenwart.
Eine Antwort
Es ist doch das Merkmal der Postmoderne, dass man sich von allem das Beste nimmt und sich was Neues erschafft – dafür braucht man eine Vernetzung. Die analoge Variante war doch auch schon immer auf dem Vormarsch, wer hatte damals kein Telefon? Ich mache mir mehr Sorgen darum, dass wenn die Kommunikationsgeschwindigkeit so schnell sind, wir die entstandene Freizeit der Arbeitszeit zurechnen. .. und das trotz meiner Beschäftigung mit Technik, wie man der Website entnehmen kann 😉