“Er steckt in den Taschen zehntausender professioneller Journalisten – und nur in deren Taschen: der Presseausweis. Ob Sie als Journalist frei recherchieren wollen und dafür Zugang zu Veranstaltungen und gesperrten Geländen oder Informationen benötigen oder ob Sie als Veranstalter oder Institution sicher sein wollen, dass Sie es tatsächlich mit professionellen Journalisten zu tun haben: Der Presseausweis hilft Ihnen weiter.”
So schreiben die sechs Medienverbände, die einzig in Deutschland berechtigt sind, offizielle Presseausweise auszustellen auf ihrer WebSite.
Der Presseausweis adelt den Redakteur zum Journalisten, den Schreiber zum Ausübenden der “Vierten Gewalt”. Auch Pressesprecher und PR-Redakteure konnten in der Vergangenheit in aller Regel einen solchen Ausweis bei Verbänden wie dem Deutschen Journalistenverband oder ver.di erhalten. Neuerdings geht das nicht mehr. Und das hat Konsequenzen …
Natürlich geht es vielen “ausgewiesenen Journalisten” häufig auch ein wenig ums “Renommée”, um ein klein wenig Wichtigtuerei, um den ausgeschilderten Presseparkplatz, die kostenlosen Schnittchen in der Lounge oder um die Rabatte, die zahlreiche Unternehmen den Inhabern von Presseausweisen einräumen: 15 Prozent auf einen Audi, die Bahn Card zum halben Preis oder gar den kostenlosen Eintritt in den Tierpark Hellabrunn. Aus eigener Erfahrung darf ich aber sagen, dass diese Rabatte schon seit vielen Jahren nicht mehr wirklich interessant und “wettbewerbsfähig” sind: Auto- und Fotohändler verkaufen schon lange nicht mehr nach Listenpreis, in ein ausverkauftes Konzert kommt man mit dem Presseausweis alleine auch nicht und der Tierpark ist seinen Eintrittspreis allemal wert. Ich habe da immer gerne gezahlt und das Vorzeigen des Presseausweises kommt einem am Kassenhäusl ortstypisch “affig” vor.
Aber es gibt auch wirkliche Vorteile von Presseausweisen: nur mit einem solchen Ausweis kommt man zum Beispiel in die Pressezentren von Messen und Veranstaltungen, nur mit einem solchen Ausweis kann man sich für Pressekonferenzen anmelden. Und dort müssen auch Pressesprecher und Mitarbeiter von PR-Agenturen hin. Schließlich leben PR-Leute davon, dass sie sich mit den Kollegen der “unabhängigen Medien” austauschen. Und ich meine dabei nicht, dass wir PRler die Kollegen von den Medien endlos bequatschen, sondern dass wir uns auch einfach anhören, was die Kollegen meinen, für was sie sich interessieren. Schließlich wollen wir unsere Kunden darin unterstützen, die Welt “da draußen” von den potemkinschen Dörfern der Werber zu unterscheiden.
Neuerdings argumentieren die Verbände, die Presseausweise ausstellen dürfen, dass nur unabhängige Journalisten diese Ausweise erhalten dürfen, Mitarbeiter von Pressestellen oder PR-Agenturen aber seien letztlich “Auftragsschreiber”. Ich halte diese Argumentation für falsch!
Nicht nur, dass seriöse PR-Leute sich an Vorgaben wie den Code de Lisbonne halten, der uns alle zu Wahrheit und Aufrichtigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet. Für uns bei vibrio ist dieser Code schon lange Teil unserer Arbeitsrichtlinien. Vielmehr ist es Fakt, dass sich Journalismus und PR immer stärker gegenseitig durchdringen. Und damit rede ich nicht versteckter PR-Berichterstattung in den Medien das Wort – die im Übrigen immer häufiger nicht von der PR-Seite, sondern von den Verlagen ausgeht – , sondern dem inzwischen schon beinahe alltäglichem Frontwechsel gelernter Journalisten. Viele Mitarbeiter von Pressestellen und PR-Agenturen haben eine solide journalistische Ausbildung hinter sich. Immer mehr Freelancer schreiben mal für einen Verlag, und dann wieder für ein Unternehmen. vibrio arbeitet seit Jahren schon mit hervorragenden freien Fach- und Wirtschaftsjournalisten zusammen: die journalistischen Kollegen verfassen neben ihrer Arbeit für Zeitungen und Zeitschriften verständliche Texte für Pressemeldungen, Corporate Blogs, Broschüren und Firmenmedien. Und im Online-Bereich verschwimmen die Grenzen ohnehin immer mehr. Ein gutes Blog – auch wenn es von PR-Leuten wir mir (mit-)geschrieben wird, ist kein Werbemedium für Agenturkunden oder Unternehmen. Auf der dampfLog und erst recht auf dem Czyslansky-Blog schreibe ich was ich will und gegen wen ich will. Einzig auf der dampLog haben wir intern die Regel verabschiedet, dass wir uns nicht negativ über die Kunden der Agentur äußern. Das ist alles, was von meiner “Richtlinienkompetenz” in sozialen Medien bleibt. Verdeckte “Auftragsarbeiten” für unsere Kunden sind hier wie auch anderswo verboten.
Welch investigatives Engagement hat der Wochenmarktberichterstatter der Mittelbayerischen Zeitung eigentlich meiner Agenturkollegin voraus, dass jener für seinen Artikel über steigende Preise für Futterrüben einen Presseausweis erhält, meine Kollegin aber nicht, eine Frau, die selbst von der Tageszeitung kommt und heute über transluzente Oberflächenbeschichtungen für einen Kunden auf der Euro-Blech schreibt?
Der Wert einer sauber recherchierten und ebenso sauber formulierten Pressemeldung ist nicht geringer einzuschätzen für unsere Gesellschaft, als der Wert einer sauber recherchierten Story in der Süddeutschen Zeitung. Wenn bei Fraunhofer heute ein tolles Forschungsprojekt gestemmt wird, dann ist es wichtig, dass darüber auch öffentlich diskutiert wird. Und hoffentlich lässt niemand die dortigen Entwickler ohne PR-Unterstützung auf die Menschheit los: ich schätze meine Kollegen aus den Entwicklungsabteilungen meiner Kunden wirklich: sie sind um so viel besser in Forschung und Technologie, als ich es bin, aber sich verständlich und zugleich spannend auszudrücken ist ihre Kernkompetenz in aller Regel eher nicht
Wir PR-Menschen – gleich ob Pressesprecher bei Oracle oder Volontär bei vibrio – dürfen auf unsere Arbeit ebenso stolz sein, wie ein guter Journalist auf seine. Und die vielen “Mauerspringer”, die immer wieder mal zwischen der journalistischen und der PR-Seite wechseln, wissen auch, dass sich Arbeitsstil und Qualitätsanspruch auf beiden Seiten nicht mehr unterscheiden. Ein Wissenschaftsredakteur beim Deutschlandfunk hat mehr Gemeinsamkeiten mit meinem Mitarbeiter, als mit einem politischen Redakteur des SPIEGEL, die Blogbeiträge auf – um nur einmal ein richtig gutes Beispiel zu nennen – dem wunderbaren Cirquent-Blog sind – auch und gerade wenn dort eine Pressesprecherin schreibt – von besserer journalistischer Qualität, als manch Beitrag im Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung.
Hoffentlich verstehen die sechs Verbände die Veränderungen in unserer Berufslandschaft noch rechtzeitig, ehe sie im Sog dieser Veränderungen Schaden nehmen. Die Qualität der Medienberichterstattung ist letztlich unser gemeinsames Anliegen. Ob mit oder ohne Ausweis.
2 Antworten
Heut zu tage gibt es für alles einen Ausweis. Nunja.. ich denke PR-Redakteure und Pressesprecher sollten mit professionellen Journalisten gleich gestellt werden. Alle sollten die selbe möglichkeit bekommen.
Jaja, schon praktisch so ein Presseausweis. Damit bekommt man bestimmt bei vielen Veranstaltungen Eintritt gewährt, zu denen unsereins im Leben nicht kommen wird…