Als die Stadt Lissabon 1755 zerstört wurde, löste das ein Erdbeben in den Köpfen der Zeitgenossen auf, die nicht mehr an die Gnade der göttlichen Vorsehung glauben konnten. Ohne diese geistigen Leitplanken waren sie aber führungs- und orientierungslos. In einer ähnlichen Situation ist der Mensch im Zeitalter der digitalen Vernetzung wieder: Alte Begriffe und Kategorien genügen nicht mehr um das zu beschreiben, was er erlebt. Wir müssen uns selbst neue Leitlinien schaffen, wenn wir nicht hilflos und fremdbestimmt durchs Leben im Zeitalter des Internet torkeln wollen.
These 10: Wir brauchen eine „digitale Aufklärung“: neu und selbst gedachte Kategorien, die allein dieser grundsätzlich veränderten Welt gerecht werden können. Nur damit können wir diese Welt kritisch reflektieren und produktiv nutzen.
In einer ähnlichen Situation des fundamentalen Wandels befand sich die Menschheit schon einmal gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Erstarrte gesellschaftliche und wirtschaftliche Verhältnisse wurden über den Haufen geworfen. Das zwischen klassischer Logik und mittelalterlicher Scholastik gefangene Denken war hoffnungslos überfordert angesichts der gewaltigen Dynamik der Veränderungen. Angesichts dieses klassischen Dilemmas bestand Immanuel Kants Antwort in seiner Maxime: „Jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung.“ Vor der gleichen Aufgabe stehen wir heute angesichts der digitalen Aufklärung