Die „Financial Times Deutschland“ stellte kürzlich, zwar nicht ins Blatt, aber immerhin in die Online-Ausgebe, eine bemerkens- und bedenkenswerte Frage in den Raum, nämlich ob die „Web-2.0-Euphorie“ nun langsam am Ende sei. Grund der bangen Annahme: Das Geschäft mit Widgets halte nicht, was die Hersteller sich einmal davon versprachen.

Das mag traurig stimmen, liebe Kollegen, geht aber dennoch messerscharf am Phänomen Web 2.0 vorbei: Erstens ist das kein Geschäftsmodell, worauf schon der Urheber des Begriffs, Tim O’Reilly gern hingewiesen hat, sondern eine (neue) „Haltung“ („attitude“) der Nutzer und zweitens ist der Gedaanke so unsinnig, als wenn jemand 1998, bevor Google seinen Siegeszug antrat, behauptet hätte, die „Euphorie“ um Suchmaschinen im Web sei beendet, weil die damaligen Akteure noch keine gewinnbringende Strategie für die Monetarisierung ihres Angebots gefunden hatten.

Merke: Im Internet geht es immer zuerst, um die Entwicklung eines erfolgreichen, weil für die Nutzer hilfreichen, Angebots und dann erst um dessen Monetarisierung. Wie erfolgreich dieser Weg sein kann, beweist nicht zuletzt Google selbst. Richtig ist allein die nicht eben originelle Beobachtung, dass Web 2.0 in allen seinen Ausprägungen noch nach einem ebenso innovativen wie erfolgreichen Geschäftsmodell verlangt. Wer das zuerst gefunden hat, der könnte zukünftig vielleicht sogar in der Google-Liga spielen.

4 Antworten

  1. Vielleicht liegt es ja an der Haltbarkeit des Modebegriff „Web 2.0“ – aber an dem Faden ziehe ich lieber nicht. Ossi und ich sind uns einig, dass wir in diesem Punkt uneinig bleiben…

    Worüber wir uns ganz bestimmt nie streiten werden ist, dass das Web (ob 1.0, 2.0 oder x.0) ein Umdenken der Unternehmen erfordert. Um im Online-Zeitalter Kunden zu „ködern“, muss ich sie zuerst zu meinen Freunden machen. Dann sind sie (vielleicht) bereit, mir den Gefallen zu tun, mir mein Produkt oder meine Dientleistung abzunehmen oder weiter zu empfehlen.

    Andererseits ist auch das nicht wirklich neu: Ein guter Unternehmer hat immer schon zuerst den Markt erforscht, bevor er sich hinein gewagt hat. Das erfordert Investitionen – nur muss man heute anderswo investieren als früher. Nicht in Focus Groups oder Meinungsumfragen, sondern in die eigene Community. Und das Investitionsmittel ist nicht mehr (nur) Geld, sondern Zeit, Engagement und Empathie.

    Leider gehören solche Dinge aber heute (noch) nicht zum Curriculum des BWL-Studiums.

  2. ossi hat recht und unrecht zugleich, wenn er schreibt: „Im Internet geht es immer zuerst, um die Entwicklung eines erfolgreichen, weil für die Nutzer hilfreichen, Angebots und dann erst um dessen Monetarisierung.“

    natürlich geht es heute beim thema web 2.0 nicht um erfolgreiche monetarisierungsmodelle. deshalb werden die meisten professionellen businessplanliteraten wohl auch erstmal auf die schnauze fallen.

    ich glaube aber, es geht noch nicht einmal zwingend um die entwicklung eines für die nutzer hilfreichen angebots. wer heute erst nach nutzenversprechen sucht, ehe er eine web 2.0-anwendung veröffentlicht, kann gleich gemeinsam mit den businessplanliteraten eine therapiegruppe aufmachen.

    das hat uns doch schon der siegeszug des personalcomputers gelehrt, dass es keiner killing application und keines nutzenversprechens bedarf, damit sich eine technologie durchsetzt. erinnert sich noch jemand an die vor zwanzig jahren vielfach belächelte frage „was soll ein computer zuhause? soll man mit seiner hilfe etwa das haushaltsbuch führen?“ der heimcomputer war bei seiner marktdurchsetzung aber auch sowas von blödsinnig, dass man sich auch nicht darüber wundern sollte, wenn wir künftig alle nur noch twittern.

    ich finde es eine schöne tradition afrikanischer völker, dass sie die vergangenheit vor sich und die zukunft hinter sich sehen. wichtig ist vorne.

  3. die guten unternehmer haben früher wie heute den markt erforscht. und sie haben bei bekanntem marktumfeld auch alle erfolge erzielt.

    bei unbekannten variablen – wie im web 2.0 – geht es aber meistens in die hosen mit der prognose. es werden die erfahrungen und lehren der vergangenheit herangezogen, um schlüsse für die zukunft zu ziehen. das klappt nicht.

    trifft jemand mit einem blindschuss in ziel, dann geschieht das überwiegend zufällig und in einem unternehmen ohne vergangenheit und mit noch keiner zukunft. die genial blödsinnige idee zu einer killer application kann man nicht durch endlose meetings, horrende investitionen oder analysen der vergangenheit erzwingen.

    so starren die führenden unternehmen bei web 2.0 wieder mal wie die kaninchen auf die markttrends. wartend und hoffend, dass sich dort unter den blindschleichen wenigstens eine schlange befindet.

  4. Die Nervosität für Unternehmen und Investoren im Web 2.0 kommt doch im Augenblick aus zwei Persepktiven.

    -Die Nutzer

    Wie bei vielen Internetmodelle trifft auch insbesondere bei alle Web 2.0 Angeboten das Gesetz von Metcalf zu. Das Metcalfesche Gesetz ist eine Faustregel, nach der der Nutzen eines Kommunikationssystems mit dem Quadrat der Anzahl der Teilnehmer wächst ( Quelle : http://de.wikipedia.org/wiki/Metcalfesches_Gesetz ). Hat man aslo erst einmal genug Nutzer in einem Segment ist es für einen neuen Marktteilnehmer ernorm schwer diese Markt Hürde wieder einzureissen. Konsequenz – Die Unternehmensgründer und Investoren haben einen enorm hohen Druck Ideen zu entwickeln ( oder aus Amerika zu kopieren), schnell an den Markt zu gehen und Marktanteile aufzubauen –

    Hohes Investment – schnelle Exitstrategie – Villa in Starnberg.

    – Die Monetarisierung

    Leider folgt die Logik vieler Web 2.0 Businesspläne der folgenden:
    Businessplan
    50.000.000 PI / Monat
    3 Werbeplätze
    TKP 12,50€
    = 1.875.000 € /Monat *12 = 22.500.000

    Bleiben nach Abzug für den Vermarkter 15,75 Mio.€. Nicht schlecht. Die Firma ist locker 50 Mio.€ wert. Ich sollte für meine Villa in Starnberg die Garage erweitern.

    Realität
    50.000.000 PI/Monat
    3 Werbeplätze
    TKP 0,2€
    Auslastung
    20%

    = 6.000€/Monat *12 = 72.000€

    Bleiben nach Abzug für den Vermarkter 50.400€ aus der Werbung. Wie zhalen wir die Serverkosten?

    Ist deswegen Web 2.0 tot?

    Nein, überhaupt nicht. Es gibt bedauerlicherweise für diejenigen, die damit Geld verdienen wollen noch kein Overture oder Google des Web 2.0 (siehe auch http://blog.alexanderholl.de/?p=21 ). Gefragt ist Ausdauer und Geduld.

    Google hat Zeit

    Googles Mission ist die Informationen dieser Welt zu organisieren. Google CEO Eric Schmidt von Google schätzt, das dies ca. 300 Jahre dauert. Wird es also Google interessieren ob Sie nächstes Jahr mit Ihrem Kauf von YouTube profitabel sein werden. Wohl kaum.

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