Frosch grün: Wetter gut. Relaxen!

„Let’s talk about the weather“ heißt es so schön im Englischen, wenn diplomatische Untiefen drohen, Tabuthemen nicht angeschnitten werden und auch sonst jeglicher Inhalt verpönt ist.
Wir kommen auch oft und gern auf das Wetter zu sprechen. Es ist so schön unverfänglich, man kann einfach nichts falsch machen. Oder etwa doch?
Allein die Frage, ob am Wochenende das Wetter zum Grillen, Motorradfahren, Stadion- oder Biergartenbesuch geeignet ist, kann in geselliger Runde in der Kneipe dramatische Situationen erzeugen.

Ich zitiere dann gern den Wetterbericht aus dem Radio, den ich auf dem Weg vom Büro nach Hause gehört habe. Aber das reicht meinen Zeitgenossen nicht. Entweder sie glauben mir nicht, oder dem Sender nicht oder sie trauen mir nicht zu, den Wetterbericht für etwa zwei Stunden im Kopf behalten und korrekt wiedergegeben zu haben.
Vielleicht denken sie auch, dass ein etwa zwei Stunden alter Wetterbericht nicht mehr aktuell sein kann und sowieso bei einem Flächensender nicht präzise genug ist.
Also dauert es keine Minute und mindestens zwei am Tisch zücken ihr Smartphone, drücken wie wild auf dem Display herum und übertrumpfen sich, was ihr Wetter-App gerade aktuell meldet. Schlagartig bin ich von allerlei Wetterfröschen umgeben.
Unwohlsein macht sich breit, ich fühle mich deplatziert, denn es wird ausgiebig diskutiert, welche App auf welchen Wetterdienst zurückgreift, präzisere Vorhersagen trifft, welche Erfahrungen und Enttäuschungen man damit erlebt hat usw. usw.
Da steht man mit seinem Radiowissen plötzlich ziemlich blöde da – mehr noch:

Frosch rot: Unwetter im Anmarsch. In Deckung gehen.

Derweil ich mich wundere, gleiten die Finger der anderen weiter über das Smartphone. Schnell werden sie noch die Mails checken, vielleicht noch ein Blick ins Facebook, was weiß denn ich…
Das harmloseste aller Gespräche endet immer in einer Debatte ums Smartphone und deren Apps. Und das Bizarre daran: Jeder glaubt ausschließlich seiner App, der aber zu 100%! Und nur seiner! Da wird einem jahrelang eingetrichtert, man solle nicht jeden Mist glauben, der in der Zeitung steht oder den man im Radio hört. Dann lernt man, wie unzuverlässig das Internet als Informationsquelle sein kann. Aber plötzlich ist das alles obsolet. Wenn meine App Gewitter vorhersagt, dann wird es gewittern. Das ist noch sicherer als das Amen in der Kirche. Denn meine App irrt sich nie, das Dogma der Unfehlbarkeit gilt selbstverständlich für die digitale Datenbank, die hinter der App liegt. Und nicht nur ex cathedra. Die gilt immer!

Ich muss nicht erwähnen, dass ich das weder kommunikativ noch höflich finde. Ich muss auch nicht erwähnen, dass sich die Geräte zum perfekten Attribut der Besserwisserei gemausert haben. Drei Leute, drei unterschiedliche Wetterapps und der Abend ist gelaufen. Da kann man, will man nicht mitspielen, auch gleich daheim vor den Fernseher bleiben und Inge Niedeck beim Wetterbericht lauschen. Stimmt, den könnte ich natürlich auch mit meiner Wetter-App kontrollieren. Vielleicht weiß mein Smartphone es ja auch besser als die Wettertante im ZDF.
Wie schön war die Zeit, in der der zuverlässigste Wetterdienst der Laubfrosch auf der Leiter im Weckglas war. Dessen Prognosen ließen breite Deutungsspektren zu, über die sich trefflich diskutieren ließ, ohne dass einem gleich das neueste iPhone oder Samsung mit der triumphierenden Bemerkung „Sag ich doch!“  direkt unter die Nase gehalten wurde…
Vielleicht sollte ich beim nächsten Kneipenabend einfach, wenn mal wieder die Wetterfrage ansteht, aufstehen, mir eine klassische Zeitung zur Hand nehmen. Es hängen ja immer noch genug davon in den Kneipen an Lesestöcken herum. Dann könnte ich erst den Wetterbericht vor- und dann gleich den Rest weiterlesen.
Ich bin sicher, alle am Tisch empfänden ein solches Benehmen als unhöflich und sonderlich – inklusiver der Smartphoner. Warum eigentlich? Erstens bin ich sonderlich und zweitens machen sie digital doch auch nichts anderes. Oder ich könnte mich einfach so lange mit irgendwelchen anderen Leuten im Facebook-Chat treffen. Natürlich von meiner Lieblingskneipe aus via Android.  Hey Leute, seid ihr gerade on?

 

PS: Die Bilder stammen aus dem Archiv des Autors. Und der ist sich bewusst, dass er zwei völlig unterschiedliche Amphibienarten aufgenommen hat; ebenso, dass Frösche bei Wetterwechsel ihre Hautfarbe nicht von grün auf rot schalten; ebenso, dass die Haltung von Laubfröschen in Weckgläsern Tierquälerei ist, das Fangen von Laubfröschen ohnehin verboten ist und selbige auch keine Wetterprognosen liefern – das nur, falls Besserwisser mit Frosch-App sich zu Wort melden, sich erregen und unterstellen, Czyslansky rege zum Froschfang an…

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