Wie viel Erdnüsse können sich die Banken noch leisten?

peanuts

Eine ernste Bedrohung

Eines der bestgehütetsten Geheimnisse der Kreditkartenbranche wurde gestern Abend ganz nebenbei auf einer Informationsveranstaltung in München gelüftet. Monika Kummer, Abteilungsleiterin Risikomanagement bei der Bayern Card-Service GmbH (eine Tochter der Bayerischen Landesbank und der Bayerischen Sparkassen) bezifferte auf einem Infroabend für Journalisten den Schaden, den Kartenbetrüger Jahr für Jahr anrichten, auf zwischen 0,2 und 0,3 Prozent vom gesamten Kartenumsatz. Dieser betrug bei BCS 2009 rund 16 Milliarden Euro. Gauner haben also rund 32 Millionen Euro erbeutet – Peanuts., könnte man meinen, jedenfalls aus Sicht der Bankenwelt.

Weit gefehlt! Die Banken verbuchen ja nur einen kleinen Teil des großen Umsatzkuchens als Provision, nämlich etwa 1,2 Prozent. Den Rest der Provisionen (zwischen 3 und 6 Prozent, je nach Kartengesellschaft und Vertragsmodell des Händlers) kassieren so gennannte Acquirer, die direkt mit dem Händler und später mit den Banken abrechnen. Im Klartext heißt das: Mindestens ein Fünftel ihres Provisionsumsatzes verlieren Banken und Sparkassen durch Kartenbetrug! Erdnüsse sehen anders aus.

Und als wäre das noch nicht schlimm genug, stehen die Banken unter massivem Druck der Europäischen Union, ihre Bankgebühren bei grenzüberschreitenden Kartenzahlungen, die so genannten „Interchange Fees“, drastisch abzusenken. Bereits im Dezember 2007 hatte die EU-Kommission millionenschwere Gebühren von Mastercard gekippt und den Konzern unter Androhung eines Bußgeldes zur Vorlage eines neuen Gebührenmodells verdonnert. Im März 2008 war Visa an der Reihe: Die Kommission eröffnete gegen sie eine Kartelluntersuchung, an deren Ende ein saftige Bußgeld hätte stehen können.

Im April 2009 senkte schließlich Mastercard ihr Interbankenentgelt bis zur abschließenden Klärung des Streits durch den Europäischen Gerichtshof. Im Gegenzug verzichtete die Kommission einstweilen darauf, ein Verfahren gegen die Kreditkartenfirma zu eröffnen. Es dürfte jedoch klar sein, dass die Banken hier weitere Einbußen werden hinnehmen müssen. Sagen wir ein Prozent? Dann aber legen sie nach Abzug der Betrugsverluste sogar drauf beim Kartengeschäft.

Die Kreditkarte sei in Deutschland „immer noch ein Produkt der Zukunft“, sagte gestern Abend Günther Tittel, Direktor des Sparkassenverbands Bayern. Schuld daran ist neben der Doppelgleisigkeit des deutschen Systems – Bankleute sprechen von der „Zweikarten-Strategie“, also Girocard und Kreditkarte von ein und derselben Bank – auch die Angst der Kunden vor angeblichen oder tatsächlichen Sicherheitslücken.

Dass die meisten Horrormeldungen aus den USA stammen, wird geflissentlich übersehen, ebenso wie die Tatsache, dass Deutschland den Vereinigten Staaten ausnahmesweise weit voraus ist. Hierzulande ist die Umstellung vom altmodischen Magnetstreifen, den Hacker heute im Handumdrehen auslesen können, auf moderne Chiptechnik weitgehen vollzogen. Nur die alten Kartenlesegeräte sind noch ein Problem, da sie nach wie vor die auf dem Magnet gespeicherten Informationen verwenden. In den USA sind Chipkarten so gut wie unbekannt.

Wenn die Banken und Sparkassen allerdings kein Mittel finden, um auch bei uns den Abfluß ihrer Gewinne durch Kartenbetrug zu stoppen, wird ein Massenmarkt für Kreditkarten in Deutschland wohl noch eine Weile Zukunftsmusik bleiben. Dagegen haben Firmen wie BCS allerdings noch ein paar Pfeile im Köcher.

So erzählte Monika Kummer ganz und gar unbekümmert, dass ihre Organisation an einem System arbeite, das jeden Kartenbesitzer automatisch per SMS benachrichten wird, sobald er eine Zahlung in einer bestimmten Höhe getätigt haben soll. „Wenn es nicht stimmt, kann er sofort Einspruch einlegen“, sagte sie. Auf ein konkretes Einführungsdatum wollte sie sich allerdings noch nicht festlegen lassen.

Noch weiter geht ein Vorschlag der BCS, Zahlungen aus Risikoländern für einzelne Kunden ganz zu sperren, und zwar auf der Grundlage des índividuellen Zahlungsverhaltens. Der Kartenbesitzer soll selbst festlegen können, aus welchen Ländern die Kartengesellschaft Zahlungen akzeptieren soll und aus welchen nicht. Wenn er nie im Leben vorhat, Kasachstan zu besuchen, dann können Belastungen, die aus diesem Land stammen, ja eigentlich nur von Borat oder einem seiner Spießgesellen verursacht worden sein…

Angesichts der drohenden Kostenlawine durch steigenden Kartenbetrug wird klar, warum die Banken und Sparkassen diesem Thema einen so hohen Stellenwert einräumen. Wer macht schon gerne Geschäfte, bei denen er drauflegen muss?

4 Antworten

  1. Wie ich einmal Bill Gates zum Staunen brachte …

    Tim’s Posting bringt mich auf eine alte Geschichte – alte Männer kennen ja immer irgendwelche alten Geschichten:
    Vor vielleicht 25 Jahren durfte ich im Rahmen meiner damaligen Lohnsklaventätigkeit eine größere Veranstaltung der IT-Branche in einem Münchner Hotel organisieren. Key Note Speaker war mein seinerzeitiger oberster Arbeitsgeber Microsoft-Boss Bill Gates. Abends saßen wir – Bill, eine kleine amerikanische Entourage (sie war übrigens sehr nett) und das deutsche Microsoft-Management zum Nachttrunk im Restaurant am Veranstaltungsort. Ich sollte mich nach dem Essen wie immer um die Zeche kümmern, gab dem Kellner meine Microsoft-Visitenkarte und bedeutete ihm, er solle die Rechnung inklusive Zigarren auf die Event-Rechnung setzen. Er bedankte sich artig und brachte mir kurz darauf die Rechnungsaufstellung. Bill hat nur gesehen, dass ich ihm die Visitenkarte, aber kein Geld und keine Kreditkarte überreicht hatte. Mein Deutsch hat er auch nicht verstanden, und so kam er mit großen überraschten Augen und – wenn ich mich recht erinnere – ein klein wenig imperialem Neid auf mich zu und meinte:
    „They do accept your Microsoft-Card? Ey – that’s great!“

    Für einen Abend konnte die bargeldlose Transferkultur Deutschlands die Vormachtstellung der amerikanischen Finanzwelt erschüttern – oder den Glauben Bills an sein Land.

  2. @Michael
    Da muss ich doch glatt auch eine meiner Lieblingsanekdoten zum Besten geben. Bei einer ähnlichen (oder gar der selben) Veranstaltung mit Bill Gates, war ich als Kameramann mit ihm allein hinter Bühne und wir wartete auf seinen Auftritt.
    Bill schielte immer wieder auf einen alten blechernen Getränkeautomaten, ging dann schliesslich auf ihn zu und sah mich hilfesuchend an. Er hatte kein Markstück.

    „May I invite you to a Coke, Mr.Gates?“, fragte ich ihn.
    Er nickte dankbar lächelnd und klopfte entschuldigend auf seine leeren Jacketttaschen.

    Während du mit einer Visitenkarte „gezahlt“ hast, habe ich den reichsten Mann der Welt auf eine Flasche Cola eingeladen – mit Bargeld.

  3. Okay, you asked for it:

    Als meine Geschichte began, war Bill kein Onkel, sondern ein eher pickelgesichtiger Jüngling. Ich war gerade Leiter der MSX-Arbeitsgemeinschaft geworden, einer Vereinigung von UE-Herstellern (Sony, Philips, Panasonic, etc.), die Anfang in den 80ern einen gemeinsamen Standard für Spiele-Computer durchsetzen wollten. Sie brauchten ein Betriebssystem, und sie wandten sich an die gleiche kleine, unbekannte Firma, die auch das OS für IBMs gerade vorgestellten „PC“ beigesteuert hatten, nämlich Microsoft. Statt von vorne anzufangen, nahmen die einfach ihr „MS-DOS“ und machten daraus ein Derivat namens „MSX-DOS“, mit verbesserter Grafik und so.

    Mein Job war es, MSX-DOS bei den Spieleschreibern und Programmierern beliebt zu machen, und ich organisierte deshalb im Lenbachhaus in München ein Seminar, zu dem wir auch einen Vertreter unseres Lieferanten anforderten. Die schickten den Chef, einen gewissen Bill Gates, der zwei Tage lang persönlich in die Geheimnisse von MSX-DOS einführte. Ich mußte ihm ein Hotel buchen, und ich habe ihn im Bayerischen Hof einquartiert, weil das geschickt, nämlich um die Ecke vom Lenbachhaus liegt.

    Als er wieder weg war, bekam ich die Hotelrechnung mit der Post, und da standen sage und schreibe 1.200 D-Mark drauf nur für Telefongespräche! Wie lebten damals in einer unschuldigeren Zeit, und so hatte die Hotelleitung freundlicherweise auch die angerufenen Nummern daneben geschrieben. Es war nur eine, und zwar mit der Vorwahl „001“, also in den USA. Ich habe aus Neugier die Nummer angerufen – und bekam Bills Mutter ans Rohr! Der Junge hatte offenbar Heimweh, und so hat er die Nächte am Telefon mit Mom verbracht. Ein braver Sohn!

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