Wieder aufgetaucht: Czyslanskys Koffer

Der große Moment: Czyslansky Koffer gibt sein Gehemeinis preis!

Auch wenn vieles von der Vorgeschichte des großen Vordenkers des Digitalen noch im Nebel des Vergessens liegt, so sind doch zwei  Dinge unter Czyslansky-Forschern relativ unbestritten. Erstens: Er trank oft und gerne, und zweitens war er sehr viel unterwegs – nicht immer ganz freiwillig, denn seine zeitlebens meist prekäre Finanzlage machten oft überhastete und ungeplante Abreisen nötig. Czyslansky war bekanntlich ein friedliebender Mensch, und unschöne Streitereien mit Vermietern und Hoteliers waren ihm zutiefst zuwider.

Aus Überlieferungen von Weggefährten wissen wir, dass Czyslansky stets einen geheimnisvollen Lederkoffer bei sich führte, den er niemals aus den Augen lies und mit dem er sich häufig zurückzog, um – wie er sagte – den „Geist den Digitalen“ zu konsultieren.

Der Gesellschaft der Freunde Czyslanskys ist in diesen Tagen ein etwas zerbeulter, ansonsten aber gut erhaltener Koffer aus edlem Marokkoleder zugespielt worden, der auf dubiosen Umwegen und bei Nacht und Nebel zu uns gelangte. Unter anderem lag er wohl längere Zeit in der Asservatenkammer des Prager Cimrman-Theaters und diente vermutlich davor längere Zeit als Türstopper im museo del mare trieste, dem Marinemuseum des ehemaligen K.u.K.-Kriegshafens an der Adria, wo sich Czyslanskys mutmaßlicher Urgroßvater Ludovico Czyslansky nach einer langen und erfolgreichen Karriere als Sklavenhändler zur Ruhe setzte und ein Kaffeehaus betrieb, in dem unter anderem die legendäre Triester Torte erfunden wurde.

Eine äußerliche Überprüfung des Koffers durch Forensiker des Thomas-Mann-Instituts ergab, dass die Verschlüsse offenbar intakt und seit mindestens 20 Jahren nicht mehr geöffnet worden sind (Blütenstaub von Cannabis indica ließen sich durch Radiokarbondatierung eindeutig auf die frühe Nachkriegszeit eingrenzen; unklar ist nur: welcher Krieg?). Konnte es sein, dass sich im Innern die Antwort auf die wohl brennendste Frage der Czyslansky-Geschichte finden würde, nämlich: Woher nahm der göttergleiche Czyslansky die Inspiration für seine bahnbrechenden Erkenntnisse über Wesen und Wirken des Digitalen in der Moderne?

Mit klopfenden Herzen und feuchten Handflächen machten sich die Czyslansky-Forscher an die Öffnung des geheiligten Objekts. Vorsichtig warfen sie einen ersten Blick ins Innere – und lauter Jubel brach aus beim Anblick der längst verschollen geglaubten rätselhaften Utensilien, mit denen der große Mann offenbar seine zerebralen Selbstversuche vorbereitete und verrichtete.

Im rechten Außenfach, das sich zuerst öffnete, befanden sich zwei seltsam geformten nach oben offene Glasgefäße, die zunächst vorsichtig als Resonanzkörper identifiziert wurde, möglicherweise beim Empfang elektromagnetischer Schwingungen im Cyberraum verwendet. Eine silberne Urne mag einst die Aschenreste aus Czyslanskys genialem maßstabsgetreuem Pappmodell des World Wide Web enthalten haben, das er im Restaurant Cooperativo (“Coopi”) in Zürich baute und das bekanntlich leider durch Löschwasser bei einem durch Czyslanskys Cigarrenrauch ausgelösten Fehlalarm unwiderbringlich verloren ging.

Mit zittriger Hand öffnete man schließlich den Deckel, der zum innersten Heilgtum des Czyslansky-Koffers führte. Und hier, endlich, wurde klar, welcher Geist das Genie dieses einzigartigen Menschen immer wieder beflügelte. Die Forscher fanden zwei dichtverschlossene längliche Glasgefäße mit den Aufschriften „Lillet“ und „Plymouth“. Ob die seltsame Dualität der nationalen Nomenklaturen zweier europäischen Großkulturen den entscheidenden Anstoß gaben? Oder liegt das wahre Geheimnis vielleicht in einem okkulten Mischungsverhältnis, dessen Geheimnis der große Vordenker mit ins digitale Jenseits nahm, wird sicher noch künftige Generationen von Czyslansky-Forschern beschäftigen. Klar ist: Wir stehen in Wahrheit erst am Anfang, und keineswegs wie erhofft am Ende unserer Suche nach der letzten Wahrheit über Czyslanskys Digitopia. Darauf lasst uns anstoßen und unsere Gläser erheben: Czyslansky der Große soll leben, dreimal hoch!

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