So etwas Irres sei ihm in seiner ganzen Laufbahn nicht begegnet, meinte der ehemalige Spiegel-Chef Stefan Aust, als man ihm von Christian Wulffs Anruf beim BILD-Chefredakteur Kai Diekmann erzählte. Dass der Bundespräsident persönlich den Chefredakteur einer der einflussreichsten Zeitungen in Deutschland von einer Auslandsreise anrufe und ihm drohe, dass mache einen ja wirklich fassungslos.
Tatsächlich ist es kaum zu glauben, dass ein so erfahrener Politiker wie Wulff einen derartigen Anfängerfehler macht (Aust spricht vom „politischen Selbstmordkommando“). Die Lösung ist ganz einfach: Es war gar nicht Wulff, der da bei Diekmann aufs Band sprach, sondern ein ganz anderer.
Aber wer dann? Nun, um diese Frage beantworten zu können, musste man am Silvesterabend im Münchner Valentins-Musäum im Isartor zugegen gewesen sein. Dort lieferte der Berufssatiriker Holger Paetz seinen als „Jahresrückblick“ getarnten Rundumschlag auf das gesamte politische Establishment. Paetz ist für seine täuschend echte Stimmimitationen von Leuten wie Guido Westerwelle oder Gerhard Schröder bekannt. Bislang noch nicht aufgefallen ist er als Wulff-Synchronsprecher.
An diesem Abend aber rutschte es aus ihm heraus: Paetz, dessen Heimatidiom bekanntlich das Ascheberscher Platt ist, rezitierte zur Verblüffung der Anwesenden in schönstem Ossenbrüggischen die zunehmend gequälter klingenden Ausflüchte des Staatsoberhaupts in Sachen Kreditvergabe.
Von diesem Moment an konnte es keinen Zweifel mehr geben: Paetz muss der geheime Anrufe sein, der dem Chefredakteur der mächtigsten Boulevardzeitung der Welt eine dreiste Kriegserklärung aufs Tonband schmetterte. Wie man Paetz kennt wird er diese als Realsatire getarnte Aktion spätestens bei seinem nächsten Auftritt im Isartor bereitwillig zugeben und kommentieren.
Man kann dem politisch Interessierten nur empfehlen, sich rechtzeitig Karten für den nächsten „Monatsrücklick“ am 29. Januar zu besorgen. Achtung: Das Kontingent in dem engen Kreissaal des Musäumscafés ist äußerst begrenzt.
Schön fand ich den Hinweis der Süddeutschen Zeitung, dass in einer Pressekonferenz zu den aktuellen Arbeitslosenzahlen die Bundesarbeitsministerin zwar mehrfach nach ihrer Einschätzung der Causa Wulff gefragt wurde, aber niemand auf die Idee kam nachzufragen, ob bei den gemeldeten Arbeitslosen Herr Wulff bereits berücksichtigt wurde …
Nette Idee und Promotion für den kommenden Monatsrückblick. Wahrscheinlich meldet sich Herr Wulff demnächst bei Herrn Pätz, um ihn zu fragen, ob er nicht, um Schaden vom Amt des Bundespräsidenten abzuwenden, ganz offiziell für den Anruf bei Bild einstehen wolle.