Snowden, PRISM, Barack Obama, NSA, Hans-Peter Friedrich…
Sie können es nicht mehr hören?
Das ist verständlich. Alle Medien haben darüber berichtet. Wieder und wieder und wieder. Seit Wochen sind die Nachrichten voll davon, es droht der thematische Overkill. Auch Czyslansky hat sich – trotz vornehmer Zurückhaltung – schon einmal mit dem Thema beschäftigt: Siehe Tim Coles Beitrag Die spinnen ja doch nicht, die Amerikaner.
Jetzt juckt es mich in den Fingern, im Auftrag Czyslanskys einen kurzen Blick auf diejenigen zu werfen, die das Ganze unmittelbar betrifft. Erstaunlich wenig hört und liest man in den sogenannten führenden Medien, wie denn eigentlich die so genannte Netzgemeinde weltweit auf diese Bespitzelung reagiert. Dabei treiben Empörung, Wut und ein latentes Gefühl der Ohnmacht angesichts solcher Unverfrorenheit wunderbare Blüten. Und die Waffe der Netzgemeinde ist messerscharf und doch frustrierend stumpf zugleich: Zynismus.
Der Zynismus treibt im Netz viele Obama-Kritiker zu erstaunlicher Kreativität. Huldigten noch 2008 Itellektuelle wie Avantgarde, Freigeister und kreative Köpfe den Präsidenten in fast schon messianischem Rausch, verbunden mit der Hoffnung, er werde Amerika aus der bush-administrierten Finsternis zum Licht führen, so schlägt dem gleichen Mann fünf Jahre später mindestens ebenso viel Hohn nund Spott entgegen. Die Hoffnungen sind verflogen, Obama ist kein Erlöser: Hallelujah… Kreuzigt ihn.
Und wie? Kennen Sie zum Beispiel die wunderbare Galerie Obama Is Checking Your Email auf Tumblr?
Dort finden sie zahlreiche Bilder von Barak Obama. Mal gibt sich Mr. President nachdenklich, mal gut gelaunt, mal im Anzug und mal hemdsärmlig. Man sieht ihn mit Kindern, Politikern, Wirtschaftsgrößen. Immer smart. Und immer – Oh Wunder – wirft Obama unverholen einen Blick auf ein Handy, Laptopdisplay oder einen PC-Monitor. Gleichgültig ist, ob diese Bilder echt sind, Schnappschüsse von Journalisten, inszenierte Bildarrangements, oder ob sie das Ergebnis der Photoshop- oder Indesign-Communities sind. The message is clear: Obama sieht eben alles, weiß eben alles, liest eben alles… mit.
Auch die Initiatoren einer sehr bemerkenswerten Facebook-Kampagne bedienen sich des Zynismus in seiner besten Form. Sie haben ein Profil für George W. Obama anglegt. Getreu der Devise „Aus Zwei mach Eins“ vereinigen die Betreiber dieses Profils Bush und Obama zu einer Kunstfigur, einem US-Präsidenten, der mittlerweile in der vierten Amtszeit regiert. Perfekt auch das Profilbild.
Die Seite ist Zynismus, Satire, Blog und Politkommentar in einem: Hoch intelligent, topaktuell und unbedingt empfehlenswert.
Sie sollten Sie lesen, so lange Sie können. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten soll ja eine Regierung so viel Druck auf befreundete und willige Staaten aufbauen können, dass man Überflugverbote für andere Staatspräsidenten ausspricht – warum nicht einfach auf Facebook einen Account schließen lassen?
Und meine Lieblingsspielwiese Twitter?
Deutschlands Twittergemeinde (und nicht nur die) überbietet sich seit Wochen in zynischen Bemerkungen. Ganz offen hagelt es harsche Kritik.
Aktuell unter Dauerbeschuss ist Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Vergangene Woche machte er bei seiner Reise nach Washington einen freiwilligen Ergebenheitskniefall vor der US-Regierung, um wenigstens ein bisschen Privatsphäre für die Deutschen im Netz zu erbetteln (*) und fordert jetzt die Bürger auf, ihre Daten bitte doch selbst zu schützen. Das alles sind Steilvorlagen für die Twitteria.
Seine Washington-Reise wurde mit bösen Worten kommentiert. Hier ein Beispiel:
Zu soviel Zynismus ist nichts mehr hinzuzufügen. Und Zynismus ist, – ganz nach Oscar Wilde – , ein Ding so zu betrachten, wie es wirklich ist, nicht wie es sein sollte…
(*): Das ist selbe Bundesinnenminister, der 2011 nach den Anschlägen in Norwegen lautstark das Ende der Anonymität im Netz gefordert hat. Sie erinnern sich? Sonst lesen Sie es einfach hier nach. Auch ein Thema, das auf Twitter heftig kommentiert wird….